Leitsatz (amtlich)

  • 1)

    Der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt eine genaue Abstimmung der zu erteilenden Weisungen auf den konkreten Täter, seine Taten und - damit zusammenhängend - auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten. Eine Schematisierung und Pauschalisierung der zu erteilenden Weisungen ist nicht möglich.

  • 2)

    Die Strafvollstreckungskammer hat eine ordnungsgemäße Ermessenausübung bei der Auswahl ihrer Weisungen vorzunehmen und darzulegen. Fehlt sie, kann das Beschwerdegericht die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht prüfen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 19.11.2007; Aktenzeichen II StVK 201/07)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig mit dem Sitz in Döbeln vom 19. November 2007 in Nr. 5 der Beschlussformel, ausgenommen die Nrn. 5 a) und 5 f), aufgehoben.

    Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Durchführung des Verfahrens und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

 

Gründe

Die (einfache) Beschwerde des Verurteilten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang vorläufig Erfolg.

Soweit die Strafvollstreckungskammer vorliegend eine Abhilfeentscheidung unterlassen hat, steht dies der Entscheidung des Senats über die Beschwerde nicht entgegen, da die Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung darstellt (Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 306 Rdnr. 10).

Nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann das Rechtsmittel allerdings nur darauf gestützt werden, dass eine Führungsaufsichtsanordnung gesetzeswidrig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, wenn sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, oder sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (vgl. Fischer in KK-StPO, 5. Aufl. § 453 Rdnr. 13; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 453 Rdnr. 12; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 453 Rdnr. 5, jeweils m.w.N.). Ansonsten verbleibt es bei der Regel, die mit Führungsaufsichtsanordnungen verbundenen Ermessensentscheidungen der ersten Instanz zu überlassen (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2000, 500 m.w.N., dort zu Bewährungsanordnungen).

Diese Einschränkung betrifft allerdings nur den Umfang des Prüfungsrechts des Beschwerdesenats, ohne bereits die Zulässigkeit des Rechtsmittels in Frage zu stellen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass Beschwerden gegen Gerichtsbeschlüsse für ihre Zulässigkeit grundsätzlich gar keines Begründungsvortrags bedürfen.

1.

Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall die Bestimmung der Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre nicht zu beanstanden. Wenngleich der Beschwerdeführer bereits zuvor in anderer Sache unter Führungsaufsicht stand und dieser seinem Bekunden nach entsprochen hat, ist es von der Strafvollstreckungskammer nicht rechtsfehlerhaft, von der Ausnahmevorschrift des § 68 c Abs. 1 Satz 2 StGB vorerst keinen Gebrauch zu machen, sondern dies einer späteren Entscheidung nach § 68 d StGB vorzubehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die in § 68 c Abs. 1 Satz 1 StGB vorgegebene Höchstdauer von vornherein verfehlt sei, liegen nicht vor.

2.

Hingegen haben die unter Nr. 5 der Beschlussformel angeordneten Weisungen, ausgenommen die Weisungen Nrn. 5 a) und 5 f), keinen Bestand. Allerdings ist der Senat an einer eigenen Neufassung (§ 309 Abs. 2 StPO) der Anordnungen aus tatsächlichen Gründen gehindert, weshalb es insoweit der Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer bedarf. Der angefochtene Beschluss lässt bereits dem Grunde nach eine Abwägung maßgeblicher Umstände und damit eine Ermessensausübung vermissen; vielmehr erschöpft sich die Begründung der Strafvollstreckungskammer in der Bemerkung, dass sie "in Übereinstimmung mit dem (- nicht mitgeteilten -) Bericht der Führungsaufsichtsstelle und dem Antrag der Staatsanwaltschaft es für erforderlich (hält)", den Beschwerdeführer "über einen kritischen Zeitraum hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Für die Dauer der Führungsaufsicht...waren die im Beschluss genannten Weisungen dem Verurteilten entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu erteilen, § 68 b Abs. 1 Ziffer 1 bis 4, Ziffer 7 bis 9, Abs. 2 StGB."

Dies genügt den Anforderungen an eine zielgerichtete und ermessensfehlerfreie Ausgestaltung der Führungsaufsicht nicht. Vielmehr hat die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen und in eine ordnungsgemäßen Ermessensabwägung einzubeziehen. Das Institut der Führungsaufsicht nach § 68 f StGB hat nämlich die Aufgabe, gefährliche oder (rückfall)gefährdete Täter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten (B...

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