Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung der Auskunftserteilung über Telekommunikationsverbindungen eines Presseangehörigen in einem nicht gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und deshalb rechtswidrig.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Entscheidung vom 01.02.2007; Aktenzeichen 4 KLs 340 Js 25898/05)

 

Tenor

  • 1.

    Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 01. Februar 2007 wird als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Die Kosten der Beschwerde sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

1.

Der Betroffene zu 1. ist Tageszeitungsredakteur; er ist in der Redaktion der "Dresdner Morgenpost" tätig. Die Betroffene zu 2. ist unter anderem Verlegerin der "Dresdner Morgenpost". Die Betroffene zu 3. ist alleinige Gesellschafterin der Betroffenen zu 2. und selbst Verlegerin der Tageszeitung "Sächsische Zeitung".

Die Staatsanwaltschaft Dresden führte seit Juni 2004 Ermittlungen gegen den ehemaligen Sächsischen Staatsminister für Wirtschaft, Prof. Dr. , wegen des Verdachts der Untreue. Das Verfahren wurde durch den Angeschuldigten bearbeitet, der zu diesem Zeitpunkt als Staatsanwalt in der Abteilung IX der Staatsanwaltschaft Dresden (Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen - INES) tätig war. Am 21. April 2005 erließ der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Dresden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden Durchsuchungsbeschlüsse hinsichtlich des Beschuldigten Prof. Dr. in Dresden-Ullersdorf und eines weiteren, in Köln wohnhaften Mitbeschuldigten. Ende April 2005 bestimmte der Angeschuldigte als Durchsuchungstermin den 24. Mai 2005. Bei der daraufhin an diesem Tage durchgeführten Durchsuchung der Wohnräume von Prof. Dr. waren der Beschwerdeführer zu 1. und ein Fotograf anwesend. Die "Dresdner Morgenpost" berichtete über diese Durchsuchung in Wort und Bild in ihrer am 25. Mai 2005 erschienenen Ausgabe.

Aufgrund einer Anfrage des Betroffenen zu 1. am Nachmittag des Durchsuchungstages und seiner Anwesenheit bei der Durchsuchung in Dresden-Ullersdorf bestand der Verdacht, dass er schon vorher Kenntnis von dem Durchsuchungstermin hatte. Wegen der von ihm bei der Presseanfrage gestellten Fragen war zudem erkennbar, dass er den gesamten Verfahrensstand und zumindest den Inhalt der Durchsuchungsbeschlüsse kannte. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete deshalb noch am 25. Mai 2005 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein; das Ermittlungsverfahren wurde zunächst gegen Unbekannt geführt.

Mit der Durchführung des Ermittlungsverfahrens wurde durch den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen gemäß § 145 Abs. 1 GVG die Staatsanwaltschaft Chemnitz beauftragt.

2.

Mit Beschlüssen vom 20. Juni 2005 ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Chemnitz in diesem Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft Chemnitz die Auskunftserteilung über Telekommunikationsverbindungen bezüglich des Mobilfunkanschlusses des Betroffenen zu 1. sowie des von ihm bei der Betroffenen zu 2. genutzten Festnetzanschlusses an. Bei diesem Festnetzanschluss handelte es sich um die Nebenstelle einer Telefonanlage, die durch die Betroffene zu 3. betrieben wird. Mit Beschluss vom 14. Juli 2005 ordnete das Amtsgericht Chemnitz zudem die Auskunftserteilung über Telekommunikationsverbindungen bezüglich des vom Betroffenen zu 1. privat genutzten Festnetzanschlusses an.

Die Erhebung von Telekommunikationsverbindungen des Nebenstellenanschlusses scheiterte aus technischen Gründen, weil der zentralen Telefonanlage keine Einzelgespräche zugeordnet werden konnten. Die anderen Beschlüsse wurden vollzogen und die Verbindungsdaten erhoben.

Von den getroffenen Maßnahmen wurde der Betroffene zu 1. im Oktober 2005 benachrichtigt.

3.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 25. Juli 2006 legten die Betroffenen gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 20. Juni 2005 und 14. Juli 2005 jeweils Beschwerde beim Amtsgericht Chemnitz ein.

Am 13. Dezember 2005 hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz bereits Anklage gegen den Angeschuldigten vor dem Landgericht Dresden wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen erhoben.

Auf die Beschwerden der Betroffenen hin hat das Landgericht Dresden mit Beschluss vom 01. Februar 2007 festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Chemnitz bezüglich des Mobilfunkanschlusses und des privat genutzten Festnetzanschlusses rechtswidrig sind. Den Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz bezüglich des Nebenstellenanschlusses hat es aufgehoben.

4.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Leitenden Oberstaatsanwalts in Chemnitz vom 16. Februar 2007.

Das Landgericht hat der Beschwerde unter ergänzendem Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall "Cicero" vom 27. Februar 2007 (NJW 2007, 1117) nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat unter Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung...

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