Leitsatz (amtlich)

Ein Amtsträger, der ein Geheimnis durch eine eigene Entscheidung erst schafft, erfüllt bei einem Offenbaren dieses Geheimnisses nicht den objektiven Tatbestand des § 353 B Abs. 1 StGB, weil ihm das Geheimnis weder "anvertraut" worden noch "sonst bekanntgeworden" ist.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Entscheidung vom 12.01.2007; Aktenzeichen 4 KLs 340 Js 25898/05)

 

Tenor

  • 1.

    Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 12. Januar 2007 wird als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Die Kosten der sofortigen Beschwerde sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

1.

Mit Anklageschrift vom 13. Dezember 2005 hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz dem Angeschuldigten eine Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) vorgeworfen, die dieser in seiner Eigenschaft als Staatsanwalt begangen haben soll.

Nach den Ermittlungen der anklagenden Staatsanwaltschaft führte die Staatsanwaltschaft Dresden seit Juni 2004 ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Sächsischen Staatsminister für Wirtschaft, Prof. Dr. wegen des Verdachts der Untreue. Der Angeschuldigte war Sachbearbeiter dieses Verfahrens und zu diesem Zeitpunkt als Staatsanwalt in der Abteilung IX der Staatsanwaltschaft Dresden (Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen - INES) tätig. Auf seinen Antrag erließ das Amtsgericht Dresden am 21. April 2005 zwei Durchsuchungsbeschlüsse hinsichtlich des Beschuldigten Prof. Dr. in Dresden-Ullersdorf und eines weiteren, in Köln wohnhaften Mitbeschuldigten. Ende April 2005 bestimmte der Angeschuldigte als Durchsuchungstermin den 24. Mai 2005.

In ihrer Anklage wirft die Staatsanwaltschaft Chemnitz dem Angeschuldigten vor, am 23. Mai 2005 um 17:50 Uhr dem bei der Dresdner Morgenpost tätigen Journalisten K in einem Telefonat entsprechend eines vorgefassten Tatentschlusses mitgeteilt zu haben, dass die Staatsanwaltschaft Dresden ein Ermittlungsverfahren gegen Prof. Dr. führe und dass am Morgen des nächsten Tages die Anwesen von Prof. Dr. und des Mitbeschuldigten in Köln durchsucht werden würden. Bei der Durchsuchung in Dresden waren dann der Journalist K und ein Fotograf anwesend. Die Dresdner Morgenpost berichtete am darauffolgenden Tag über die Durchsuchung in Wort und Bild.

Über den Anklagesatz hinaus wird im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage ausgeführt, dass der Angeschuldigte absichtlich auch den Inhalt der Durchsuchungsbeschlüsse mitgeteilt habe.

2.

Die zuständige 4. Strafkammer des Landgerichts Dresden hat die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 12. Januar 2007 aus Rechtsgründen abgelehnt, weil der Sachverhalt keinen Straftatbestand erfülle oder wegen fehlender Prozessvoraussetzungen eine Strafbarkeit ausscheide.

Der Angeschuldigte habe als Amtsträger zwar gegen seine Amtsverschwiegenheit verstoßen, indem er unbefugt den Durchsuchungstermin offenbart habe. Er habe dadurch jedoch nicht wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Eine konkrete Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen könne nach einer Würdigung aller Umstände nicht festgestellt werden. Den Akten könne nicht entnommen werden, dass Prof. Dr. über den Journalisten Informationen über die geplante Durchsuchung erhalten habe. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass von dem Angeschuldigten eine Gefährdung des Ermittlungserfolges durch die Weitergabe von Informationen an den Journalisten beabsichtigt gewesen sei. Eine konkrete Gefährdung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach Bekanntwerden der Verletzung der Amtsverschwiegenheit mit hohem Aufwand Ermittlungen geführt und erst dadurch bekannt gewordene Umstände möglicherweise zu einer mittelbaren Gefährdung öffentlicher Interessen geführt haben. Insoweit fehle es an einem tatspezifischen Unmittelbarkeitszusammenhang. Soweit eine Straftat nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB in Betracht komme, fehle es an der Prozessvoraussetzung eines Strafantrages gemäß § 205 Abs. 1 StGB. Die durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz erteilte Verfolgungsermächtigung erstrecke sich ausdrücklich nur auf eine Straftat gemäß § 353 b Abs. 1 StGB und könne einen solchen Strafantrag nicht ersetzen.

3.

Gegen diese Nichteröffnungsentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Leitenden Oberstaatsanwalts in Chemnitz. Er meint, es sei ausreichend, wenn die Gefährdung der öffentlichen Interessen mittelbare Folge des Geheimnisbruches sei. Mit der Weitergabe der Information, gegen Prof. Dr. sei ein Ermittlungsverfahren anhängig und strafprozessuale Maßnahmen stünden unmittelbar bevor, sei das Stadium der konkreten Gefährdung erreicht. Es sei auch eine Verurteilung wegen einer tateinheitlich verwirkten Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 StGB möglich. Der insoweit notwendige Strafantrag sei konkludent der Ermächtigung zur Strafverfolgung durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz zu entnehmen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat unt...

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