Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 25.04.2005; Aktenzeichen I StVK 309/04)

StA Leipzig (Aktenzeichen 14 VRs 600 Js 1224/91)

GenStA Dresden (Aktenzeichen 12 G Ws 290/05)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig vom 25. April 2005 aufgehoben. Zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers im Maßregelvollzug wird die Erstattung eines forensich-psychiatrischen gefährlichkeitsprognostischen Gutachtens angeordnet.

  • 2.

    Mit der Erstellung des Gutachtens wird Dr. med. ... beauftragt. Rechtsanwalt wird dem Untergebrachten als Verteidiger im Vollstreckungsverfahren beigeordnet. Die Sache wird zur weiteren Durchführung des Verfahrens und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückgegeben. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten insoweit entstanden Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Das Bezirksgericht Leipzig hat am 11. Februar 1992 wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt (Az.: 2 KLs 1301 Js 1224/91); außerdem wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Am 19. März 1994 verurteilte das Landgericht Leipzig den Untergebrachten wegen vorsätzlicher Brandstiftung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren (Az.: 5 KLs 102 Js 35809/93). Die Freiheitsstrafen sind vollständig verbüßt. Der Angeklagte ist seit dem 16. April 1998 im Maßregelvollzug des Sächsischen Krankenhauses Altscherbitz nach § 63 StGB untergebracht.

Mit Schriftsatz vom 11. März 2005 hat der Verteidiger des Untergebrachten seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt sowie angeregt, zur Vorbereitung des Prüftermins am 19. August 2005 ein externes Sachverständigengutachten einzuholen.

Mit Beschluss vom 25. April 2005 hat die 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig beide Anträge als (derzeit) unbegründet abgelehnt, weil keine Veranlassung für eine Vorverlagerung des Prüftermins bestünde.

Gegen den am 09. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat der Verteidiger am 12. Mai 2005 (fristgerecht) sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die sofortige Beschwerde des Untergebrachten als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der angefochtene Beschluss war aufzuheben. Die Strafkammer hat den Antrag des Verteidigers offenbar missverstanden und daher die Einholung eines Gutachtens zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt. Entgegen ihrer Auffassung bezweckt der Verteidiger mit seinem Antrag nicht die Vorverlagerung des Prüftermins, sondern sein Begehren richtet sich allein darauf, dass zum - regulären - Prüftermin am 19. August 2005 ein externes Gutachten vorliegt, sodass zeitnah über die Frage der Fortdauer der Unterbringung gemäß § 67 e Abs. 2 StGB entschieden werden kann.

1.

Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 e StGB), über die dazu erforderliche Anhörung des Betroffenen (§§ 4 63 Abs. 1 und Abs. 3, 454 Absatz 1 StPO) und über die gebotene sachverständige Begutachtung (§ 4 63 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) (vgl. speziell zur Sicherungsverwahrung neuestens BVerfG NStZ-RR 2005, 92,93).

Artikel 104 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt mit Verfassungskraft, dass allein der Richter über die Statthaftigkeit einer jeden Freiheitsentziehung zu entscheiden hat. Hierzu gehört, dass der Richter im vollen Umfang die Verantwortung über die Maßnahme übernimmt. Verfahrensrechtlich muss daher gewährleistet sein, dass das Vollstreckungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Maßregelvollstreckung regelmäßig überprüft und dabei besonderen Anforderungen an die Wahrheitsforschung gerecht wird (vgl. BVerfG NStZ-RR 2005, 92, 93;  2005, 187, 188). Dies kann es jedoch nur, wenn es eine objektive Entscheidungsgrundlage hat. Dies wird zwar auch bei einer gutachterlichen Stellungnahme, die die Maßregelvollzugseinrichtung selbst erstellt hat, der Fall sein, jedoch gebietet es der besondere Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG, dass darüber hinaus eine externe (möglicherweise objektivere) Begutachtung stattfindet. Dabei genügt grundsätzlich eine Überprüfung im Abstand von fünf Jahren.

2.

Der Senat ist weiter der Auffassung, dass für die Einholung eines solchen Gutachtens grundsätzlich ein zeitlicher Vorlauf von etwa sechs Monaten sachgerecht erscheint. Spätestens zum Prüftermin sollen der Strafvollstreckungskammer die Entscheidungsgrundlagen umfassend vorliegen. Auch dies folgt aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. insoweit auch Senatsbeschluss vom 06. Dezember 2004 - 2 Ws 681/04 - dort zu § 57 StGB).

Hier wurde das letzte externe Gutachten am 29. Juni 2000 erstellt, sodass die Erstellung eines neuen (externen) Gutachtens angezeigt is...

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