Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Entfernung eines Suchmaschinen-Links zu einem mit Zustimmung der Klägerin veröffentlichten Presse-Interview

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 BDSG erforderlichen Abwägung ist einerseits das Interesse des Betreibers der Suchmaschine zu berücksichtigen, der Öffentlichkeit die Nutzung des Internets zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, andererseits das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, insbesondere sein Interesse, davon verschont zu bleiben, dass ihn betreffende Veröffentlichungen im Internet aufgefunden werden. Zwar kann sich der Suchmaschinenbetreiber selbst nicht auf die Presse- und Meinungsfreiheit berufen. Jedoch ist jedenfalls dann, wenn der Suchmaschinenbetreiber einen zulässigerweise veröffentlichten Beitrag der Presse verlinkt, in die Abwägung neben seiner eigenen Berufsfreiheit und der Informationsfreiheit der Internetnutzer auch die Presse- und Meinungsfreiheit des für den Inhalt des verlinkten Beitrags Verantwortlichen mit einzustellen. Denn hierdurch wird das Allgemeininteresse an der Verfügbarkeit der Information erhöht.

 

Normenkette

BDSG § 35 Abs. 2 S. 2, § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 22.04.2016; Aktenzeichen 3 O 149/15)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.11.2019; Aktenzeichen 1 BvR 276/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.4.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Lüneburg abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Entfernung des Links zu dem Transkript des streitgegenständlichen N.-Fernsehbeitrags - im Internet abrufbar unter http://d... pdf - sowie auf Unterlassung der Weiterleitung auf diesen Link weder aus § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG zu (dazu im Folgenden unter 1.) noch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art 2 Abs. 1 GG (dazu im Folgenden unter 2.). Die Klägerin kann schließlich auch nicht mit Erfolg als "Minus" die Änderung der Formulierung des streitgegenständlichen Links verlangen (dazu im Folgenden unter 3.).

1. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG i.V.m. der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 12 lit. b) der Richtlinie 95/46/EG (Urteil vom 13.5.2014 - C-131/12, juris).

Nach Art. 12 lit. b) der Richtlinie 95/46/EG garantieren die Mitgliedsstaaten jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen je nach Fall die Berichtigung, Löschung oder Sperrung von Daten zu erhalten, deren Verarbeitung nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspricht, insbesondere wenn die Daten unvollständig oder unrichtig sind. Dieses Recht findet sich nach der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht in § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG wieder. Die Norm sieht in Nr. 1 einen Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten insbesondere für den - hier allein in Betracht kommenden - Fall vor, dass ihre Speicherung unzulässig ist. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind hier nicht erfüllt: Zwar ist die Beklagte als Suchmaschinenbetreiberin für einen möglichen Anspruch aus § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG passivlegitimiert (dazu im Folgenden unter a). Die Speicherung des streitgegenständlichen Links ist jedoch nicht unzulässig (dazu im Folgenden unter b).

a) Die beklagte Suchmaschinenbetreiberin ist eine verantwortliche Stelle gemäß § 3 Abs. 7 BDSG (Art. 2 lit. d) der Richtlinie 95/46/EG: "für die Verarbeitung Verantwortlicher"), die mit der Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 3 Abs. 4 BDSG (Art. 2 lit. b) der Richtlinie 95/46/EG) befasst ist. Der EuGH hat in der o.g. Entscheidung festgestellt, die vorgenannten Vorschriften der Richtlinie seien dahin auszulegen, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine - nämlich G. - als Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen ist, wenn sie darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall sei der Betreiber der Suchmaschine als für die Verarbeitung Verantwortlicher anzusehen (EuGH, a.a.O., Rn. 41).

b) Die Beklagte ist jedoch nicht zur Löschung des streitgegenständlichen Links verpflichtet, weil seine Speicherung nicht gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG unzulässig ist. Die Zulässigkeit der Speicherung ergibt sich vorliegend aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG, weil die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen stammen (dazu im Folgenden unter aa) und das schutzwürdige Interesse der Klägerin an dem Ausschluss der Speicherung nicht...

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