Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutz bei Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 19.12.2003; Aktenzeichen 4 O 131/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.12.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO analog) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Gewährung von Kostenschutz zur Durchsetzung ihrer Kündigungsansprüche ggü. der S. AG aus der mit der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 1, § 158 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VVG i.V.m. § 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden ARB 1975/95 zu.

1. Zunächst ist auch der Kläger zu 1) berechtigt, Versicherungsansprüche ggü. der Beklagten im eigenen Namen prozessual geltend zu machen. Da der Versicherungsfall gem. § 14 Abs. 3 ARB nach dem Vorbringen der Kläger bereits im Jahr 2001 erfolgte, ist maßgebend für den Versicherungsschutz der mit Wirkung zum 11.11.1994 geschlossene Vertrag. Dieser sieht einen pauschalen Rechtsschutz für Gewerbe und freie Berufe gem. §§ 21, 24, 25, 29 ARB vor und weist ausweislich des Versicherungsscheins nur die Klägerin zu 2) als Versicherungsnehmerin auf. Der Kläger zu 1) als Ehegatte der Klägerin zu 2) ist hier nur mitversicherte Person gem. § 25 Abs. 1 S. 1 ARB.

Gemäß § 75 Abs. 2 VVG kann der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur verfügen und diese nur gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Hier hat die Klägerin zu 2) zwar mit Erklärung vom 1.9.2003 der selbständigen Geltendmachung von Ansprüchen durch den Kläger zu 1) im Rahmen des Versicherungsvertrages ausdrücklich zugestimmt. Indessen enthält § 11 Abs. 2 S. 1 ARB 75 eine den § 75 Abs. 2 VVG modifizierende Regelung. Hiernach steht die Ausübung der Rechte des Versicherungsnehmers und der mitversicherten Person aus dem Versicherungsvertrag, sofern nicht - wie hier nicht - etwas anderes vereinbart ist, ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu. Der Versicherer ist lediglich berechtigt, grundsätzlich aber nicht verpflichtet, den mitversicherten Personen Versicherungsschutz zu gewähren, solange der Versicherungsnehmer nicht widerspricht.

Allerdings kann der Versicherer sich auf § 11 Abs. 2 ARB im Einzelfall nicht berufen, wenn dies gegen Treu und Glauben verstößt. Dies wurde etwa angenommen, wenn der Versicherungsnehmer den Anspruch gegen den Versicherer aufgibt bzw. erkennbar nicht weiterverfolgen will (BGH VersR 1964, 709; OLG Schleswig ZfS 1986, 113; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 11 ARB 75 Rz. 1; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 11 ARB Rz. 19) oder wenn der Versicherer bereits vorprozessual mit dem Versicherer verhandelt hat und der Versicherungsnehmer einer direkten Regulierung nicht widerspricht, selbst aber auch nicht klagen will (OLG Karlsruhe v. 15.12.1994 - 12 U 91/94, VersR 1995, 1352; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 11 ARB Rz. 1).

Zwar liegt eine derartige Fallkonstellation hier nicht vor, da die Klägerin zu 2) als Versicherungsnehmerin ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag selbst weiterverfolgt, für den Kläger zu 1) als Mitversicherten mithin auch nicht die Gefahr eines Verlustes seiner Rechte aus § 75 Abs. 1 VVG droht. Gleichwohl kann die Beklagte sich nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Aktivlegitimation des Klägers zu 1) berufen. Durch die Regelung in § 74 Abs. 2 VVG sowie verschärft durch § 11 Abs. 2 ARB soll mit der dadurch herbeigeführten Spaltung von materieller Rechtsinhaberschaft und formellem Verfügungsrecht das Interesse des Versicherers anerkannt werden, zugunsten der Rechtssicherheit sowie einer kostensparenden Abwicklung des Versicherungsfalles nur mit einer Person, nämlich dem Versicherungsnehmer, verhandeln zu müssen. Ferner soll ein kollusives Zusammenwirken von Versicherungsnehmer und mitversicherter Person dergestalt verhindert werden, dass ein Dritter Versicherungsansprüche geltend macht und der Versicherungsnehmer dann ggf. als Zeuge auftritt (BGH v. 4.5.1983 - IVa ZR 106/81, MDR 1983, 1004 = VersR 1983, 823; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 11 ARB Rz. 18; Prölss/Martin, VVG, § 75 ARB 75 Rz. 1).

Derartige schutzwürdige Interessen der Beklagten sind hier indessen nicht ersichtlich. Es geht nicht darum, dass sie im Schadensfall mit einer Vielzahl ihr unbekannter Personen das Vertragsverhältnis abwickeln müsste, statt sich alleine mit der Klägerin zu 2) als ihrer Versicherungsnehmerin auseinander setzen zu müssen. Als versicherte Person, für die aus dem konkreten Schadensfall weitere Rechte neben der Klägerin zu 2) in Betracht kommen können, gibt es ...

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