Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftliches Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Über seinen Wortlaut hinaus findet § 2287 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung auf bindend gewordene wechselbezüglich der Verfügungen von Todes wegen.

2. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Dabei kommt den Gründen, die den Erblasser zur Verfügung bestimmt haben, ausschlaggebendes Gewicht zu. Entscheidend ist, ob diese Gründe ihrer Art nach so sind, dass der Vertragspartner des Erbvertrages oder der durch gemeinschaftliches Testament bindend bedachte Erbe sie anerkennen und deswegen die sich aus der Verfügung für ihn ergebende Benachteiligung hinnehmen muss, wobei erforderlich ist, dass der Erblasser von diesen Gründen tatsächlich zu der benachteiligenden Schenkung bewogen worden ist.

 

Normenkette

BGB § 2270 Abs. 2, § 2287

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 27.08.1999; Aktenzeichen 3 O 95/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen zu 1 und 2 wird das am 27. August 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1 und 2 jeweils 8.351,54 DM und für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 31. Dezember 2004 jeweils am 31. Dezember eines jeden Jahres 1,25 % Zinsen p.a. auf 256.422,50 DM zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerinnen zu 1 und 2 am 31. Dezember 2004 jeweils 64.105,63 DM zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sind wie folgt zu tragen:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Auslagen des Beklagten tragen die Klägerinnen zu 1 bis 3 zu 50 % und der Beklagte zu 50 %.

Die außergerichtlichen Auslagen der Klägerin zu 1 tragen die Klägerin zu 1 zu 50 % und der Beklagte zu 50 %.

Die außergerichtlichen Auslagen der Klägerin zu 2 tragen die Klägerin zu 2 zu 50 % und der Beklagte zu 50 %.

Die außergerichtlichen Auslagen der Klägerin zu 3 trägt diese selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 52.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zu 1 und 2 vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Klägerinnen zu 1 und 2 dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien dürfen Sicherheit durch unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete, schriftliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Sparkasse erbringen.

Beschwer des Beklagten: 156.132,82 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien und die weitere Schwester … sind die ehelichen Kinder der am 8. April 1905 geborenen und am 23. August 1996 verstorbenen Erblasserin … und ihres am 7. Dezember 1979 vorverstorbenen Ehemannes …

Mit notarieller Vereinbarung vom 21. März 1970 (Bl. 127 d.A.) verzichtete der Beklagte gegenüber seinen Eltern auf sein „Pflichtteilsrecht und etwaige Ergänzungsansprüche”. Auch die Klägerinnen zu 1 – 3 verzichteten 1970 gegenüber den Eltern auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche (Bl. 10 d. A.).

Am 11. August 1976 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein notarielles gemeinschaftliches Testament (Bl. 14 – 17 d. A.), in dem sie u. a. verfügten:

㤠1

Unser Vermögen besteht im Wesentlichen aus Folgendem:

  1. Betriebsvermögen des Ehemannes … an seinem kaufmännischen Unternehmen, einschließlich der Grundbesitzungen und Einrichtungen in …
  2. Hausgrundstück in …
  3. Darlehen der Ehefrau, die in den Betrieb des Ehemannes gegeben sind.
  4. Spareinlagen und Bausparverträge.
  5. Hausrat.

§ 2

Wir bestimmen uns gegenseitig zu Alleinerben.

Dasjenige unserer Kinder, das den Pflichtteil begehrt, wird auch vom Überlebenden auf den Pflichtteil gesetzt.

§ 3

Der Sohn …, wohnhaft in …, erhält als Vermächtnis (wenn der Ehemann vor der Ehefrau verstirbt) sonst im Wege der Teilungsanordnung den gesamten kaufmännischen Betrieb seines Vaters, mit allen Grundstücken, Einrichtungen und eben allem, was zu dem Betriebe gehört.

Diese Zuwendung erhält der Sohn … falls die Mutter den Vater überlebt, belastet mit einer Leibrente, welche in monatlichen Raten von 1.500,00 DM im Voraus jeweils zu entrichten ist. Diese Rente wird auf Lebenszeit gewährt. …

§ 4

Das gesamte sonstige Vermögen, also das Haus in …, das Barvermögen, evtl. Beteiligungen oder Darlehen der Ehefrau im Betriebe erhalten die Töchter zu je 1/4, nach dem Tode des letzten, bezw. dann, wenn der Überlebende die Erbschaft nach dem Vorversterbenden ausschlägt.

§ 5

d) Es wird Testamentsvollstreckung nach dem Ableben des Letzten angeordnet.

…”

Am 11. Juli 1977 (Bl. 90 d. A.) trafen die Erblasserin und ihr Ehemann folgende vertragliche Vereinbaru...

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