Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsverteilung im Rahmen des Gesamtschuldner-Innenausgleichs: Alleinhaftung (100%) des planenden und bauüberwachenden Architekten im Verhältnis zum bauausführenden Unternehmer aufgrund überragender Planungsfehler

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesamtschuldner-Innenausgleich zwischen einem Architekten und einem Bauunternehmer richtet sich nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen beider Gesamtschuldner, wobei jeweils diejenige Partei, die eine überwiegende Verursachung eines Mangels am Bauwerk durch die andere Partei behauptet, einen über den jeweiligen Kopfteil hinausgehenden Verursachungsanteil des anderen Gesamtschuldners zu beweisen hat.

2. Bei der Abgrenzung zwischen mehreren Schadensverursachern ist zu berücksichtigen, dass Planungsfehler grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des planenden Architekten, Ausführungsfehler hingegen in den Verantwortungsbereich des bauausführenden Unternehmers fallen.

3. Die Überwachungspflicht des bauleitenden Architekten dient regelmäßig nicht dem Schutz des bauausführenden Unternehmens, sondern dem Schutz des Auftraggebers.

4. Im Einzelfall kann gleichwohl eine Quotierung gerechtfertigt sein, bei der der überwiegende Haftungsanteil beim planenden Architekten zu verbleiben hat.

5. Gegenüber einer schon vom Ansatz her verfehlten Planung, die sich lediglich während der Ausführung (und auch der Mangelbeseitigungsversuche) perpetuiert und letztlich zwangsläufig den gesamten Mangel maßgeblich verursacht hat, können die "reinen" Ausführungsfehler nachrangig und in der Gesamtabwägung zu vernachlässigen sein (hier Haftung des Architekten zu 100 % bejaht).

6. Zur Interventionswirkung eines Vorprozesses für den anschließenden Prozess zwischen den Gesamtschuldnern.

 

Normenkette

BGB § 426

 

Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 2 O 207/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 24.01.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade - 2 O 207/14 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die Beklagte aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 244.578,12 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Haftungsverteilung im Rahmen eines sogenannten Gesamtschuldner-Innenausgleichs.

Im Jahr 2007 beauftragte der Bauherr S.P. den Kläger mit der Planung und Anlage eines Teiches, der zunächst als Gartenteich gedacht war (800 m2 groß und bis zu 2 m tief). Darüber hinaus beauftragte P. auch die Firma W. KG mit der Lieferung eines Filtersystems und die Streitverkündete H. KG mit dem Einbau des Filtersystems (was sie zusammen mit der Firma G. GmbH durchführte). Mit der bauunternehmerischen Ausführung und insbesondere der in Rede stehenden Abdichtung des Teiches beauftragte P. die Beklagte, die wiederum als Subunternehmer die Firma J. beauftragte, welche zudem vom Kläger mit Erdarbeiten beauftragt wurde. Der Kläger war außerdem nicht nur als planender und ausschreibender Architekt für die gesamte Teichanlage verantwortlich, sondern überwachte auch alle Bauarbeiten.

Im Jahr 2008 - etwa 7 Monate nach Vertragsschluss - kam es zu einer Planänderung. Es sollte nicht nur ein "reiner" Gartenteich angelegt werden, sondern der Teich sollte zum Schwimmen geeignet sein. Der Teich wurde entsprechend als Schwimmteich gebaut. Die Filtertechnik war jedoch mangelhaft, die Abdichtung funktionierte nicht, verschiedene Mangelbeseitigungsarbeiten wurden in den Folgejahren 2009 und 2010 erfolglos durchgeführt.

Es folgte ein selbständiges Beweisverfahren (317 OH 21/11 Landgericht Hamburg) und im Anschluss ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Stade (2 O 128/13) und vor dem Oberlandesgericht Celle (7 U 18/14). Im Verfahren 7 U 18/14 OLG Celle war P., d. h. der Auftraggeber und Bauherr, Kläger; der Kläger im vorliegenden Verfahren war dort der Beklagte. Der 7. Senat des OLG Celle verurteilte den Kläger (als Beklagten im Vorprozess) zur Schadensersatzzahlung in Höhe von insgesamt 135.226,86 EUR (Summe von 132.726,86 und 2.500 EUR, worauf sich die Anträge 1a und 2 im vorliegenden Verfahren beziehen). Dabei hat der 7. Senat im Einzelnen ausgeführt, aus welchen Gründen sich der Kläger schadensersatzpflichtig gemacht hat. Dem Kläger wurden Planungs- und Bauüberwachungsfehler angelastet.

Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger die aus dem rechtskräftigen Urteil des 7. Senats resultierende Zahlungsverpflichtung im Wege eines Gesamtschuldner-Innenausgleichs gegenüber der Beklagten, der Bauunternehmerin im Zusammenhang mit der Anlage des Teichs, geltend. Dabei ist...

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