Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrvergütungsanspruch eines Bieters bei Verlängerung der Zuschlagsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Vergabeverfahren richtet sich die Auslegung der Bietererklärung und die Beurteilung des Zustandekommens des Vertrages nach den allgemeinen Grundsätzen des BGB.

2. Verzögert sich die Vergabe und kommt es innerhalb dieser Zeit zu wesentlichen Preisänderungen oder ist die Einhaltung von verbindlichen Fristen nicht mehr möglich, kann der Zuschlag des öffentlichen Auftraggebers ggü. dem wegen § 24 Nr. 3 VOB/A nicht abänderbaren Angebot des Bieters ein neues Angebot i.S.d. § 150 Abs. 2 BGB darstellen.

3. Die Besonderheiten des Vergaberechts erfordern grundsätzlich keinen besonderen Schutz des öffentlichen Auftraggebers aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegenüber einem Mehrvergütungsanspruch eines Bieters wegen während der verlängerten Zuschlagsfrist eingetretener Preiserhöhungen.

 

Normenkette

BGB § 150 Abs. 2; VOB/A § 24 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 29.11.2007; Aktenzeichen 3 O 147/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.11.2007 verkündete Grundurteil der 3. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I. Die Klägerin beteiligte sich an einem Vergabeverfahren für Arbeiten an einem Autobahnteilstück der BAB A 28/A 1 Lückenschluss Delmenhorst/Groß Mackenstedt, 2. Bauabschnitt, Umbau des Dreiecks Delmenhorst. Im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Bauvertrages macht sie Ansprüche wegen Mehrkosten für erhöhte Preise des Asphaltmischgutes geltend.

Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhaltes sowie des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird auf das angefochtene Grundurteil verwiesen (vor Bl. 1 d.A.).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die die Auffassung des LG angreift, ihr Zuschlagsschreiben vom 3.5.2005 habe ein modifiziertes Angebot nach § 150 Abs. 2 BGB enthalten. Die geringfügige Abweichung der Auftragssumme habe sich aus der teilweisen Berücksichtigung von Nebenangeboten ergeben.

Die Vertreter der Klägerin hätten während der Vergabeverhandlung nicht auf Materialpreiserhöhungen hingewiesen. Es sei allein darüber verhandelt worden, wie sich die Bauzeitverzögerung auf den Leistungsbereich auswirken werde. Deshalb sei die Klägerin mit diesbezüglichen Nachforderungen ausgeschlossen. Dieser Rechtsfolge stehe auch nicht das Nachverhandlungsverbot des § 24 Ziff. 3 VOB/A entgegen.

Im Übrigen sei auch einem Bieter von vornherein klar, dass der Zuschlag regelmäßig nicht innerhalb der ersten Zuschlagsfrist erfolge, da immer in Rechnung zu stellen sei, dass ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werde.

Eine analoge Anwendung der Regelung in § 2 Nr. 5 VOB/B könne schon deshalb nicht in Betracht kommen, da sich eine analoge Anwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbiete.

Es sei auch keineswegs unbillig, die Folgen der Verzögerung des Zuschlages auf den Bieter abzuwälzen, denn die Ursache hierfür liege im Bieterkreis. Demgegenüber sei es allemal unbillig, dem öffentlichen Auftraggeber die Kosten derartiger Verzögerungen aufzubürden.

Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Kooperationspflichten der Bauvertragsparteien komme ebenfalls nicht in Betracht, denn es sei keine Änderung nach Vertragsschluss eingetreten. Die Besonderheiten eines gestreckten Vertragsschlusses seien dem Vergabeverfahren immanent und jedem Bieter von Anfang an bekannt.

Hilfsweise verweist die Beklagte darauf, selbst bei Anwendung der Grundsätze des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Verzögerung nur etwas mehr als drei Monate betragen habe und diese Verzögerung so geringfügig sei, dass sie jedenfalls kein ungewöhnliches Wagnis und keine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage darstelle. Zumindest im vorliegenden Fall sei ein Festhalten am Vertrag für beide Seiten zumutbar.

Zudem seien die hohen Zusatzkosten nur dadurch entstanden, dass die Klägerin das Material nicht sofort nach Zuschlagserteilung, sondern wesentlich später bestellt habe.

Abschließend verweist sie darauf, ein Bieter könne etwaige Nachteile aus Preiserhöhungen vermeiden, indem er der Bindefristverlängerung nicht zustimme. Demgegenüber habe der öffentliche Auftraggeber nicht die Möglichkeit, das Vergabeverfahren zu beenden.

Der rechtliche Ansatzpunkt des LG berücksichtige insbesondere nicht hinreichend die Besonde...

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