Leitsatz (amtlich)

1. Zu "anderen Straßenteilen" i.S.v. § 10 StVO gehören die nicht für den fließenden Durchgangsverkehr bestimmten Flächen, wobei es auf die äußeren, jedem erkennbaren Merkmale ankommt.

2. Für die Streitwertfestsetzung bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln ist nicht der zivilprozessuale Streitgegenstandsbegriff maßgeblich, sondern allein eine wirtschaftliche Betrachtung. Zweck der Vorschrift des § 45 Abs. 2 und 1 GKG ist, den Gebührenstreitwert niedrig zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung der Rechtsmittel die Arbeit des Gerichts vereinfacht.

3. Eine Zusammenrechnung der jeweiligen Rechtsmittelwerte gem. § 45 Abs. 2 und 1 GKG hat nur dann zu erfolgen, wenn durch das Nebeneinander der gegenläufigen Anträge eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, die aber nur dann vorliegt, wenn die gegenseitigen Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, hingegen nicht, wenn die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des andern Antrags nach sich zieht.

 

Normenkette

StVO § 10; GKG § 45

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 6 O 176/06)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten zu 2 gegen das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Hannover vom 25.4.2007 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:

Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin 15.882,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.1.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin 25 % der berechtigten materiellen und immateriellen Zukunftsschäden aus dem Unfallereignis vom 14.4.2003 auf dem Großmarkt in Hannover betreffend die Verletzungen des Herrn Heinz O. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere übergangsberechtigte Dritte übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 31 % und der Beklagte zu 2 zu 69 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt die Klägerin voll. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin zu 31 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 2 zu 69 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 54 % und der Beklagte zu 2 zu 46 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 15.685,79 EUR.

 

Gründe

(gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 15.4.2003 gegen 4.30 Uhr auf dem Gelände des Großmarktes Hannover. Dabei fuhr der Zeuge Br. mit einem Gabelstapler, auf dessen Gabel der Zeuge Heinz O. stand, als - vom Zeugen Br. aus gesehen - von rechts aus dem Bereich der "Ladeboxen" der Beklagte zu 2 ebenfalls mit einem Gabelstapler herausfuhr und im Winkel von etwa 90 Grad gegen die Gabel des Gabelstaplers "Br." fuhr. Dabei wurde der Fuß des Zeugen O. eingequetscht. Im Marktgelände gilt die Regel "Rechts hat Vorfahrt" (vgl. die Beschilderung gem. Bl. 8 d.A.). Infolge des Unfalls hat die Klägerin Zahlungen i.H.v. 32.439,32 EUR erbracht, wovon 12.000 EUR als Schmerzensgeld nach einer angenommenen Mithaftungsquote von 50 % unmittelbar an den Verletzten ausgezahlt worden sind. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte zu 2 müsse 75 % des Unfallschadens tragen, da er gegen § 10 StVO verstoßen habe. Der Zeuge Br. habe sich demgegenüber verkehrsgerecht verhalten.

Das LG hat der Klage zum Teil stattgegeben und - nur - den Beklagten zu 2 zur Zahlung von 11.143,70 EUR nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Der Beklagte zu 2 habe zu 25 % für den eingetretenen Schaden einzustehen. Demgegenüber sei dem Geschädigten ein erhebliches Mitverschulden anzulasten, weil er sich verbotenerweise während der Fahrt auf der Gabel des Gabelstaplers befunden habe. Deshalb habe der Zeuge O. 75 % des ihm entstandenen Schadens selbst zu tragen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen sowohl des Beklagten zu 2 als auch der Klägerin. Der Beklagte zu 2 möchte insgesamt die vollständige Abweisung der Klage erreichen, weil er der Ansicht ist, für den Unfall seien allein die Zeugen O. und Br. verantwortlich gewesen. Selbst wenn ihm ein Mitverschulden an der Kollision anzulasten sei, müsste dieses hinter dem ganz überwiegenden Verschulden der Zeugen O. und Br. zurücktreten, wie ohnedies die Betriebsgefahr. Denn er habe mit seinem Gabelstapler ggü. dem Gabelstapler des Zeugen Br. Vorfahrt gehabt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die gesamte Verantwortung für den Verkehrsunfall habe der Beklagte zu 2 zu tragen, weil er mit seinem Gabelstapler "blind" in die Fahrstr...

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