Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 4 O 1422/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.9.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für die Klägerin: 1.269,34 Euro.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung ihres Pkw gegen die beklagte Landeshauptstadt nicht zu, weil eine Verkehrssicherungspflichtverletzung, die der Beklagten vorzuwerfen wäre, nicht feststellbar ist.

Zwar steht nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Pkw der Klägerin durch Astbruch beschädigt worden ist und dass dies an einem Ort geschehen ist, für den die beklagte Landeshauptstadt auch in Bezug auf die dort stehenden Bäume die allgemeine Verkehrssicherungspflicht trifft. Gleichwohl scheidet vorliegend eine Haftung der Beklagten aus, weil sich der Astbruch nicht als – bei Einhaltung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen vermeidbare – Folge einer Pflichtverletzung der Beklagten, sondern als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellt.

Nach gefestigter Rechtsprechung hat der Verkehrssicherungspflichtige zur Abwehr der von Bäumen ausgehenden Gefahren die Maßnahmen zu treffen, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch und Windwurf erforderlich, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand zumutbar sind.

Dazu reicht im Regelfall eine in angemessenen Abständen vorgenommene äußere Sichtprüfung bezogen auf die Gesundheit und Standsicherheit des Baumes aus (OLG Hamm v. 10.12.1996 – 9 U 128/96, OLGReport Hamm 1997, 67 m.w.N.; OLG Celle Urt. v. 22.5.2000 – 9 U 203/99, OLGReport Celle 2000, 187; Urt. v. 27.9.2000 – 9 U 28/00, OLGReport Celle 2000, 339). Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist jedoch dann vorzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten, etwa eine spärliche oder trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall (OLG Hamm v. 10.12.1996 – 9 U 128/96, VersR 1997, 1148 f. m.w.N. unter Hinweis auf BGH VersR 1964, 334 f.).

Die Verletzung dieser Pflicht durch die beklagte Landeshauptstadt vermag der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen. Der Zeuge S. hat bekundet, dass er den Baum, aus dessen Krone der Ast herausgebrochen und auf den Pkw der Klägerin gefallen ist, am 24.2.2000 einer Sichtprüfung nach der sog. VTA-Methode unterzogen hat. Hierbei wird – vom Erdboden aus – neben dem Stamm des Baumes auch dessen Krone in Augenschein genommen und auf Auffälligkeiten hin abgesucht. Der Zeuge S. hat hierzu weiter bekundet, dass dies im fraglichen Bereich zweimal jährlich, nämlich einmal im unbelaubten und einmal im belaubten Zustand der Bäume, geschieht. Dabei wird durch den jeweiligen Kontrolleur anhand eines vorher vom Grünflächenamt erstellten Computerausdruckes geprüft, ob der jeweils geprüfte Baum noch der Klassifizierung (im Bereich der Landeshauptstadt werden die Bäume in insgesamt vier unterschiedliche Klassen, abhängig von Alter und Zustand, eingeteilt) entspricht. Weist der Baum keine Auffälligkeiten auf, die auf einen Krankheitsfall hinweisen oder in sonstiger Weise eine weitere Nachschau erfordern und entspricht er i.Ü. der Klassifizierung gemäß mitgeführter Liste, dann wird durch den die Sichtkontrolle durchführenden Mitarbeiter der Beklagten ein Ok-Vermerk in die Liste eingetragen; so ist im Fall des hier streitgegenständlichen Baumes vom Zeugen S. verfahren worden.

Der Zeuge S. hat zwar bekundet, dass der auf den von der Klägerin zur Akte gereichten Lichtbildern zu sehende Ast aus dem oberen Kronenbereich des kontrollierten Baumes stammen kann und dass der Ast – so wie auf den Lichtbildern erkennbar – nicht mehr vital war und dies ggf. auch am 24.2.2000 (Tag der Baumschau) der Fall gewesen sein kann. Hieraus kann aber auf eine Pflichtverletzung der beklagten Landeshauptstadt nicht geschlossen werden. Denn der Zeuge S. hat weiter bekundet, dass es sich bei dem Baumbestand im Bereich des A.-M.-Ufers um Platanen handelt und bei diesen die Sichtkontrolle im unbelaubten Kronenzustand einen Rückschluss auf Schädigungen der Äste nur bedingt zulässt. Dies findet seine Ursache darin, dass Platanen die Rinde wechseln (sog. Häuten) und daher verlässliche Feststellungen zur Vitalität der Kronenäste nur im belaubten Zustand (wegen der Auswirkungen fehlender Vitalität eines Astes auf den Blattwuchs) getroffen werden können.

Dies führt aber nicht dazu, dass – wie die Klägerin meint – die Beklagte gehalten wäre, über die Sichtprüfung hinaus die Kronen der Platanen einer eingehenderen Prüfung, insbesondere etwa einer mechanischen Prüfung durch Rütteln oder ähnlichem, zu unterziehen. Denn dies wäre ...

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