Leitsatz (amtlich)

Die Verwendung von Massevermögen für Wertpapiergeschäfte gleich welcher Art ist als insolvenzzweckwidrig anzusehen und führt zur Unwirksamkeit des Verhaltens des Gesamtvollstreckungsverwalters/Insolvenzverwalters, wenn sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne Weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten.

 

Normenkette

GesO § 8 Abs. 2; InsO § 80

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 29.12.2005; Aktenzeichen 14 O 112/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.12.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Streithelfer, die diese selber tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Erstattung eines Festgeldguthabens Zug um Zug gegen Abtretung von Rechten aus einem Depotkonto.

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der Firma E. GmbH (nachfolgend kurz: Schuldnerin). Dem Gesamtvollstreckungsverfahren liegt ein Kapitalanlagebetrugsverfahren erheblichen Ausmaßes zugrunde, im Rahmen dessen der Geschäftsführer der Schuldnerin sowie weitere Personen u.a. wegen Beihilfe zum Betrug bzw. unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften verurteilt wurden (s. Strafurteil des LG München I v. 22.3.1996 - 6 KLs 312 Js 14686/95, Anlage K 20).

Mit Beschluss des AG Mühlhausen vom 16.12.1994 war zunächst der Streithelfer zu 1) (nachfolgend kurz: Streithelfer) zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt worden. Da es während der Zeit, in der der Streithelfer bestellt war, zu einem fast vollständigen Masseverbrauch kam, gab das AG Mühlhausen mit Beschl. v. 18.1.2002 die Überprüfung der Zwischenrechnungen des Streithelfers in Auftrag. Mit Beschl. v. 4.2.2002 wurde der Streithelfer aus seinem Amt entlassen und der Kläger zum neuen Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt. Dieser erstattete am 17.9.2002 ein Gutachten (Anlage K 4), in dessen Zusammenfassung er die Feststellung traf, dass "die bisherige Verwaltung durch eine Ansammlung von Fehlentscheidungen, Unvermögen und Pflichtverletzungen auf Seiten des vormaligen Verwalters und des für seine Kontrolle zuständigen Gläubigerausschusses geprägt" sei.

Der Streithelfer hatte am 18.3.1997 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der C. Bank, unter der Bezeichnung "Treuhandkonto E.-F." ein Festgeldkonto mit der Nummer A 1 eröffnet (Anlage K 7). Ende Januar 1998 trat er an die Beklagte heran, weil er Finanzanlagegeschäfte tätigen wollte. Er kaufte zunächst auf Rechnung der Masse 300 Standardaktien SAP zu 195.000 DM. Außerdem nahm er zum Erwerb weiterer Wertpapiere am 11./17.2.1998 einen Kontokorrentkredit i.H.v. 1.000000 DM auf (Anlage K 9). Von März 1998 bis März 2000 erwarb er sodann verschiedene Wertpapiere. Die einzelnen Ankäufe ergeben sich aus der Anlage B 14 bzw. der Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 2.3.2006 (Bl. 359 f. d.A.). Der am 11./17.2.1998 geschlossene Kreditvertrag weist den Streithelfer persönlich als Darlehensnehmer aus, ohne einen Hinweis auf die Gesamtvollstreckung zu enthalten. Das Kreditkonto erhielt die Nummer B 2. Zur Sicherung der Ansprüche aus dem Kreditvertrag wurde das Guthaben des 1997 eröffneten Festgeldkontos verpfändet. Am 9.4.1998 wurde außerdem ein Depotkonto bei der Beklagten eröffnet.

Sowohl das Festgeldkonto als auch das Kreditkonto wurden in den nachfolgenden Jahren wiederholt umgeschrieben: Das zunächst als Anderkonto geführte Festgeldkonto wurde am 9.4.1998 unter Beibehaltung der Kontonummer A 1 in ein Treuhandkonto geändert. Am 8.5.2000 erhielt das Konto die Nummer C 3. Am 18.7.2000 wurde es schließlich in ein Geldmarktkonto mit der Nummer D 4 abgeändert. Hinsichtlich des Kreditkontos wurde am 16./19.6.1998 ein weiterer Kreditvertrag abgeschlossen, der im Wesentlichen dem Kreditvertrag vom 11./17.2.1998 entsprach, nunmehr allerdings den Streithelfer als "Verwalter G. V. E. F." auswies. Am 23.12.1999 erhielt das Kreditkonto die Nummer F 5. Am 15./25.5.2000 wurde ein weiterer Kreditvertrag zwischen dem Streithelfer als Gesamtvollstreckungsverwalter und der Bank abgeschlossen, der die Kontonummer G 6 erhielt und den Kreditvertrag vom 16./19.6.1998 für gegenstandslos erklärte. Schließlich wurde am 3./25.7.2001 ein weiterer Kreditvertrag abgeschlossen, der den Kreditvertrag vom 15./25.5.2000 ersetzte. In sämtlichen Kreditverträgen war die Verpfändung des Festgeld- bzw. Geldmarktkontos als Kreditsicherheit vorgesehen.

Nach Übernahme der Gesamtvollstreckung durch den Kläger wurden die Konten zum 15.2.2002 abgerechnet. Hierbei verrechnete...

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