Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Kurzschluss nach einem Brand in der Nähe eines Brandortes festgestellt wird, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein typischer Zusammenhang zwischen dem Kurzschluss und dem Ausbruch des Brandes besteht. Kurzschlüsse entstehen häufig auch nur als Folge von Bränden.

2. Die lediglich nicht auszuschließende Denkmöglichkeit, dass auch ein Kurzschluss den Brand verursacht haben könnte, reicht deshalb zur Entkräftung des Anscheinsbeweises nicht aus.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1; VVG a.F. § 67

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 15.02.2007; Aktenzeichen 7 O 43/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.2.2007 verkündete Grundurteil der 7. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des LG Lüneburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend.

Sie ist mit 35 % führende Versicherin der M. F. GmbH & Co. KG. Weitere Versicherer sind die B. Versicherung mit 30 %, die B. mit 5 % und die W. S. Versicherung mit 5 %. Die Geschäftsversicherung, die auch das Risiko Feuer umfasst, beinhaltet u.a. eine Absicherung der Gebäudeschäden, des Gebäudeinhaltes sowie des Betriebsunterbrechungsschadens (Bl. 18-30 d.A.). Vom Versicherungsschutz umfasst ist auch die K. W. GmbH & Co. KG mit Sitz in B. als Tochtergesellschaft der M. KG.

Die K. KG erteilte der Beklagten wegen Undichtigkeiten im Bereich des Flachdaches ihrer Wurstfabrik (vgl. Lagepläne Bl. 31-36 d.A.) am 2.6.2003 den Auftrag zur Durchführung von Dacharbeiten (Bl. 172 f. d.A.). Die Beklagte kannte das Dach, da es von ihr errichtet worden war (Bl. 109, 311, 388 d.A.). Die Dachkonstruktion besteht aus Stahl-Trapezblech, welches mit Spanplatten und einer Dämmplatte verstärkt ist (vgl. Bl. 23 d.A. 8102 Js 4853/04 StA Lüneburg). Am 4.6.2003 hatte die Beklagte zunächst Vorarbeiten durchgeführt, indem die umlaufenden Randbereiche der Flachdachfläche gereinigt und mit einem Bitumenvoranstrich behandelt wurden (Bl. 109 f. d.A.). Am 5.6.2003 wurde sodann ab 7.00 Uhr bis ca. 8.15 Uhr der Bitumenkessel angeheizt. Anschließend wurde das Bitumen auf die gereinigte Dachfläche gegossen. Nach einer Pause von 9.15-9.45 Uhr begannen die Heißklebearbeiten, bei denen mittels eines Brenners, von denen sich zwei auf dem Dach befanden, die Unterseite der Bitumenbahnen erhitzt wurde, so dass sie danach auf das Dach geklebt werden konnten. Gegen 10.40/10.45 Uhr kam es in dem Bereich des Daches, wo die Beklagte Arbeiten ausführte (vgl. Plan Bl. 34 d.A., dort der Bereich Brätkühlraum/Kesselhaus/Brätfertigung/Lagerkühlraum), zu einem Brand in der Dachkonstruktion, der erhebliche Schäden am Gebäude, dem Gebäudeinneren und den Waren anrichtete. Die Klägerin leistete an ihre Versicherungsnehmerin Zahlungen von 4.118.778 EUR (Bl. 6, 63-65 d.A.).

Das Strafverfahren gegen den Mitarbeiter T. der Beklagten wegen fahrlässiger Brandstiftung wurde gem. § 153a StPO gegen Zahlung von 1.500 EUR eingestellt (Bl. 138 f. Strafakte).

Aus einem für die Klägerin eingeholten Gutachten des Sachverständigen S. vom 26.7.2003 (Gutachtenband der Strafakte) ergibt sich, dass es keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Brandstiftung, natürliche (Gewitter) oder technische Ursachen gibt. Eine fahrlässige Inbrandsetzung könne durch eine Nichtbeachtung einschlägiger Sicherheitsvorschriften erfolgt sein. In einem weiteren Gutachten des Sachverständigen K. für die Klägerin vom 31.8.2005 wird darauf verwiesen, es lasse sich plausibel nachvollziehen, dass es nach den Vorbereitungsarbeiten mit flüssigem Bitumen zu einer Entzündung des Polystyrols, welches sich als Wärmedämmung unmittelbar unterhalb der Bitumenbahnen befunden habe, mit einem Flächenbrenner durch Risse oder Löcher im Dach gekommen sei (Bl. 332-345 d.A.). Demgegenüber kam der von der Beklagten eingeschaltete Gutachter S. in seinem Gutachten vom 22.9.2006 zu dem Ergebnis, die Brandausbreitung über die elektrischen Leitungen im Inneren des Gebäudes und die Brandausbreitung im Dachbereich unterhalb der Arbeitsfläche sprächen deutlich gegen eine Verursachung des Brandes durch die Dacharbeiten (Bl. 551-601 d.A.). Vielmehr sei ein elektrotechnischer Defekt die wahrscheinlichere Schadensursache.

Die Klägerin hat behauptet, schadensursächlich seien die von der Beklagten durchgeführten Heißklebearbeiten, die im Bereich der Schadensstelle ausgeführt worden seien (Bl. 9 f., 310, 499, 530, 652 d.A.). Das ergebe sich bereits aus dem Eliminationsverfahren, da eine natürliche oder technische Brandursache ausscheide. Ferner sprächen zugunsten der Klägerin die Grundsätze des Anscheinsbeweises, da zwischen den Arbeiten der Beklagten und dem Brand ein räumlich...

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