Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 175/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.07.2020; Aktenzeichen VII ZR 204/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. Januar 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ≪14 O 175/17≫ dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen) zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die Beklagte aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 109.276,04 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger 109.276,04 EUR Umsatzsteuer zu zahlen.

Mit Beschluss des AG Magdeburg ≪340 IN 224/11≫ vom 17. Juni 2011 ist über das Vermögen der C. S., handelnd unter der Firma S., ..., aus M. (im Folgenden: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Beklagte beauftragte die Schuldnerin in den Jahren 2008 und 2009 mit der Erbringung diverser Tiefbauarbeiten und Arbeiten zur Freiflächengestaltung am Bauvorhaben ...-Kaserne in ... (Bl. 131 - 142 d. A.) zu Einheitsnettopreisen nach Aufmaß. Ab der zweiten Abschlagsrechnung vom 14. November 2008 (Anlage B 10, Bl. 147 - 152 d. A.) enthielt jede Rechnung der Schuldnerin den Zusatz: "Leistungsempfänger ist Schuldner der USt. gemäss § 13 b, Abs. 1 Nr. 4 UStG" (vgl. Anlagen K 2 und 3). Die Beklagte führte insgesamt 109.276,04 EUR als Umsatzsteuer an das Finanzamt M. ab.

Im August 2013 entschied der Bundesfinanzhof (BFH), § 13 b Abs. 2 Nr. 4 UStG (a. F.) sei nicht erfüllt, wenn der Leistungsempfänger zwar nachhaltig Bauleistungen im Sinne des § 13 b Abs. 2 S. 2 UStG erbringe, die von ihm bezogene Leistung aber nicht seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwende [BFH ≪V R 37/10≫, Urteil vom 22. August 2013, Leitsatz und Rn. 39, 40, 44 und 50, zitiert nach juris]. Daraufhin beantragte die Beklagte am 24. Februar 2014 gegenüber dem Finanzamt M. die Rückerstattung der von ihr aufgrund der das streitgegenständliche Bauvorhaben betreffende Rechnungen der Schuldnerin gezahlten Umsatzsteuer in Höhe von 109.276,04 EUR. Mit Schreiben vom 30. November 2015 teilte das Finanzamt M. dem Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 22. August 2013 und den Antrag der Beklagten vom 24. Februar 2014 mit, dass nunmehr er bzw. die Schuldnerin als leistende Unternehmerin Steuerschuldner sei. Gleichzeitig forderte es den Kläger unter Fristsetzung auf, für die Jahre 2009 und 2010 berichtigte Jahreserklärungen zu übermitteln (Anlagen K 4 und 5). Ferner wies das Finanzamt den Kläger darauf hin, dass er verpflichtet sei, Rechnungen auszustellen, die die in § 14 Abs. 4 S. 1 UStG vorgeschriebenen Angaben enthalte, und dass er nach § 18 UStG verpflichtet sei, die geschuldete Umsatzsteuer anzumelden, wozu berichtigte Jahressteuererklärungen einzureichen seien. Den Schreiben waren Aufstellungen beigefügt, aus denen sich die Rechnungsnummern, die Daten der Rechnungen aus den Jahren 2009 und 2010, die Rechnungsbeträge und der 19 %-ige Umsatzsteueranteil ergaben, der für 2009 einen Betrag von 68.191,48 EUR sowie für 2010 einen Betrag von 41.084,56 EUR ausmachte, insgesamt also 109.276,04 EUR. Mit Schreiben vom 21. Juli 2016 (Anlage K 6) forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 109.276,04 EUR bis zum 15. August 2016 auf.

Mit der Klage hat der Kläger diesen Zahlungsbetrag nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. August 2016 gerichtlich geltend gemacht. Er hat gemeint, angesichts des gemeinsamen Irrtums der Vertragsparteien über die Frage, wer die Umsatzsteuer abzuführen habe, sei eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB geboten und zumutbar. Da er erst im Jahre 2015 von der Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin Kenntnis erlangt habe, sei sein Anspruch auch nicht verjährt. Im Übrigen verstoße vorliegend die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt, weil eine Vertragsanpassung mangels fehlenden überwiegenden Interesses des Klägers abzulehnen sei. Hierzu hat sie auf den unstreitigen Umstand verwiesen, dass der Kläger das Finanzamt nur quotal aus der Insolvenzmasse zu befriedigen beabsichtige. Deshalb könne er jedenfalls nicht den vollen Betrag von 109.276,04 EUR bezahlt verlangen. Im Übrigen fehle es an der vom Finanzamt geforderten spezifizierten Rechnungslegung. Deshalb sei der Anspruch des Klägers gar nicht fällig. Sie - die Beklagte - habe zudem berechtigterweise die Einrede der Verjährung erhoben. Die Beklagte hat auf eine unwirksame Zustellung des Mahnbescheides...

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