Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Anfechtung der anerkannten Vaterschaft nach kolumbianischem Recht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch nach kolumbianischem Recht kommt es wie nach § 1598 Abs. 1 BGB für die Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung nur darauf an, ob ihre sachlichen Voraussetzungen nach Inhalt und Form der Erklärung vorliegen. Ist dies der Fall, hat es auf ihre Wirksamkeit keinen Einfluss, ob die Anerkennung unrichtig oder – wie hier – bewußt falsch ist. Dem anerkennenden Scheinvater bleibt dann nur die Möglichkeit, innerhalb der dafür vorgesehenen Frist die von ihm erklärte Anerkennung wegen objektiver Unrichtigkeit anzufechten.

2. Die Anfechtung der Anerkennung richtet sich nach kolumbianischem Recht.

3. Die Anfechtungsfrist beträgt 300 Tage ab dem Tag, an dem das Interesse des Scheinvaters an der Anfechtung erwachsen ist und er sein Anfechtungsrecht geltend machen konnte.

 

Normenkette

EGBGB § 19 Abs. 1 S. 2; BGB § 1598 Abs. 1; EGBGB Art. 224 § 1 Abs. 1-2; EGBGB § 20 Abs. 1 S. 1 a.F.

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen 634 F 2323/04)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers gegen die am 7.6.2006 verkündeten Urteile des AG - FamG - Hannover werden zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

 

Gründe

I. Der Kläger hat die Mutter der Beklagten, eine kolumbianische Staatsangehörige, 1999 in Deutschland kennengelernt, nach ihrer Ausreise mehrmals in Kolumbien besucht und sich schließlich entschlossen, diese Frau und ihre beiden nichtehelichen Töchter ungeklärter Abstammung nach Deutschland zu holen um dort mit ihnen als Familie zusammen zu leben. Am 10.12.2001 hat der Kläger in Kolumbien eine notarielle Urkunde unterzeichnet, wonach er die Vaterschaft zu den Beklagten anerkennt. Am 14.3.2003 haben er und die Kindesmutter in Kolumbien geheiratet. Ende August 2003 kam die Mutter der Beklagten nach Deutschland und brachte dort am 2.9.2003 ihre weitere, nach deutschem Recht als eheliches Kind des Klägers geltende Tochter Maria Camilla zur Welt, um anschließend wieder auszureisen. Mitte Februar 2004 kehrte sie mit allen drei Kindern zurück und zog beim Kläger ein, der sich inzwischen zu diesem Zweck eine größere Wohnung genommen hatte. Etwa 2 Wochen später zog sie mit den Beklagten und dem weiteren Kind wieder aus. Nunmehr stand für den Kläger fest, dass seine Ehefrau sich ihm nur zugewendet hatte, um für sich und ihre Kinder eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu erhalten. Dann ist jeweils rechtskräftig die Ehe geschieden und im Anfechtungsverfahren 624 F 2043/04 AG H. festgestellt worden, dass der Kläger nicht Vater von Maria Camilla ist. Vorliegend ficht der Kläger die Anerkennung zu den Beklagten an; dabei macht er zugleich geltend, die Anerkennung sei unwirksam. Das AG hat die Klagen abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Urteilen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Mit seiner jeweiligen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.

II. Die Berufungen sind unbegründet.

1. Die vom Kläger am 10.12.2001 in Kolumbien erklärte Vaterschaftsanerkennung ist wirksam.

a) Die Wirksamkeit beurteilt sich nach kolumbianischem Recht.

Weil die Vaterschaft zu den Beklagten am 1.7.1998, d.h. bei Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997 noch nicht geklärt war, ist nach der Übergangsvorschrift des Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB das neue Recht anzuwenden, mithin Art. 19 EGBGB (vgl. FamRefK/Wax; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl.; Staudinger/Rauscher, BGB, Neubearbeitung 2003, jeweils Rz. 2 zu Art. 224 § 1 EGBGB). Nach der Grundsatzanknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegt die Abstammung der Beklagten dem Recht des Staates, in dem sie im Zeitpunkt der Anerkennung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Würde man noch das alte Recht, d.h. Art. 20 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. anwenden, ergäbe sich hier das gleiche Ergebnis. Denn dann unterläge die Abstammung dem Recht des Staates, dem die Mutter der Beklagten bei der Geburt angehörte.

Die Zusatzanknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB, nach der die Abstammung im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dessen Heimatrecht bestimmt werden kann, käme vorliegend nur in Betracht, wenn die Anerkennung der Vaterschaft nach Maßgabe des kolumbianischen Rechts unwirksam wäre (vgl. Palandt/Heldrich, a.a.O., Rz. 6 zu Art. 19 EGBGB, m.w.N.). Das ist indessen nicht der Fall.

b) Nach Art. 2 S. 1 Gesetz Nr. 45 über Änderungen des Bürgerlichen Rechts (natürliche Kindschaft) vom 5.3.1936 i.d.F. des Gesetzes Nr. 75/68 vom 4.12.1968 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe und Kindschaftsrecht, Länderteil Kolumbien, S. 41) ist die Anerkennung als nichteheliches, d.h. als sog. natürliches Kind unwiderruflich und kann erfolgen: 1. in der Geburtsurkunde, indem sie der Anerkennende unterzeichnet; 2. durch öffentliche Urkunde; 3. in einem Testament; 4. durch Erklärung vor einem Richter.

Die erstinstanzlich eingeholte Rechtsauskunft des Prof. Dr. H. vom 15.7.2005 legt (n...

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