Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht als vertragliche Nebenpflicht im Werkvertrag bei Reinigung eines Kraftstofftanks: technische Regeln für Betriebssicherheit sind zu beachten.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Vertrag über die Reinigung eines Kraftstofftanks besteht eine Schutzpflicht des reinigenden Fachunternehmens, die Rechtsgüter des Auftraggebers vor Beschädigungen beim Reinigungsvorgang zu bewahren. Es handelt sich dabei um einen Unterfall einer Verkehrssicherungspflicht als vertraglicher Nebenpflicht.

2. Der Auftragnehmer genügt grundsätzlich seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn die von ihm übernommenen Arbeiten den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

3a. Die Beweislast für die objektive Pflichtverletzung, für den eingetretenen Schaden und für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden trägt zwar im Grundsatz der Gläubiger. Etwas Anderes kann allerdings dann gelten, wenn als Schadensursache nur solche aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Schuldners in Betracht kommen.

Steht demnach fest, dass als Schadensursache nur eine solche aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Schuldners in Betracht kommt, muss dieser sich nicht nur hinsichtlich der subjektiven Seite, sondern auch hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit entlasten.

3b. Diese Beweislastverteilung gilt auch bei einer Schadensersatzhaftung, wenn die genaue Ursache nicht aufgeklärt werden kann.

4a. Die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 1112 Teil 1) zu Explosionsgefährdungen bei und durch Instandhaltungsarbeiten (Beurteilung und Schutzmaßnahmen) können zur Beurteilung der Sicherheit der durchgeführten Arbeiten herangezogen werden.

4b. Die technischen Regelungen zum Betriebsschutz geben im Anwendungsbereich als Zusammenfassung die für den Umgang mit Explosionsgefahren geltenden anerkannten Regeln der Technik und den Stand der geforderten Schutz- und Gefahrenbeurteilungsmaßnahmen wieder und sind somit zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen geeignet.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 249-251, 257, 280 Abs. 1, §§ 631, 823; GefStoffVO §§ 7, 11

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 2 O 417/21)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen Schadensersatzansprüchen des Herr T. H., Pa. Str. ..., ... P. aus Anlass der Zerstörung bzw. Beschädigung der auf dem Grundstück Z. ..., ... W. OT H. gelegenen Tankstelle durch das Schadensereignis am 11. September 2018 freizustellen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.474,89 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreites und die Kosten des Streithelfers zu 41 % und die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites zu 59 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 54.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund einer Explosion der kleinen privaten Tankstelle auf dem Grundstück der Klägerin, welche sich am 11. September 2018 ereignete.

Die Klägerin betreibt ein mittelständisches Tischlereiunternehmen, welches über mehrere Firmenfahrzeuge verfügt. Um diese besser bewirtschaften zu können, beabsichtigte die Klägerin, eine auf ihrem Firmengelände befindliche kleine private Tankstelle vom Eigentümer, Herrn H., zu pachten und eigenständig zu betreiben. Allerdings war diese seit Jahren bereits nicht mehr in Betrieb, als sich die Klägerin entschloss, die Tankstelle zu pachten. Mit Mietvertrag vom 30. Juni 2016 (BL. 6 ff d. A., Anlage K1) mietete sie die auf ihrem Firmengelände befindliche Tankstelle zum eigenständigen Betrieb sowie eine Lagerhalle zu einer monatlichen Miete von 300 EUR zzgl. 19 % MwSt. Die auf die Tankstelle entfallende Miete betrug dabei 150 EUR zzgl. 19 % MwSt (178,50 EUR). Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit E-Mail vom 30. Juli 2018 (Bl. 8 d.A., Anlage K 2) mit der fachgerechten Reinigung der zwei Tankstellentanks aus Kunststoff mit je 2x 2.000 l Fassungsvermögen zu einem Preis von 496 EUR netto. Zur Ausführung der Tankreinigung beauftragte die Beklagte wiederum die Firma des Streithelfers, Pe. D. Tankschutzbetrieb. Die Mitarbeiter des Streithelfers, die Zeugen D.-D. und D., führten am 11. September 2018 die Reinigungsarbeiten auf dem Grundstück der Klägerin aus, nachdem sie die Stromzufuhr der Pumpe der Tanks von der Klägerin unterbrechen ließen. Es kam zu einer Explosion eines Tanks der Tankstelle - wobei die Ursache, Zeitpunkt und das Ausmaß der Explosion zwisch...

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