Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschalreisevertrag: Haftung des Reiseveranstalters für unrichtige mündliche Erklärungen des Reisebüros zu ausländischen Einreisebestimmungen; Vorrang der mündlichen Erklärungen gegenüber dem Reiseprospekt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Reiseveranstalter muss sich grundsätzlich alle inhaltlich unrichtigen Erklärungen des Personals des von ihm mit der Vermittlung von Pauschalreisen betrauten Reisebüros - etwa über Einreisebestimmungen am Zielort oder an einem Zwischenziel - zurechnen lassen.

2.Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der dem Reisenden übergebene Reiseprospekt (oder ein vergleichbares elektronisches Dokument) in einem Anhang die zutreffenden Informationen erhält; es gilt der Grundsatz des Vorrangs des gesprochenen Wortes.

3. Die Zurechnung erfolgt auch, wenn der Reisende sich zum Zeitpunkt der unrichtigen mündlichen Erklärung noch nicht für ein bestimmtes Reiseziel entschieden hatte.

4. Der Inhalt ausländischer Einreisebestimmungen lässt sich allein anhand eines - unstreitigen - Parteivorbringens bestimmen.

 

Normenkette

BGB-InfoV §§ 4-5; BGB §§ 278, 651d a.F., § 651f Abs. 2 a.F.; HGB § 84; ZPO § 293

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 06.06.2019; Aktenzeichen 8 O 58/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. Juni 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.484,50 EUR sowie weitere 297,62 EUR an vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Juli 2018, zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Preises für eine Fernreise und auf Entschädigung für vertanen Urlaub in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist der Beklagten am 12. Juli 2018 zugestellt worden.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung zweier Zeuginnen, nämlich der für den Kläger zuständig gewesenen Mitarbeiterin des Reisebüros und der Lebensgefährtin des Klägers, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass die Mitarbeiterin des Reisebüros dem Kläger und seiner Lebensgefährtin den einschlägigen Reiseprospekt der Beklagten vor der verbindlichen Buchung übergeben habe. Dieser enthielt unstreitig die zutreffende Aufklärung über die Einreisebestimmungen.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge vollen Umfangs weiterverfolgt. Der Kläger beanstandet die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung und rügt, dass das Landgericht ein Beweisangebot, das er mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz gemacht hatte, übergangen habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 6. Juni 2019 zu verurteilen, an den Kläger 5.484,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 297,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. In ihrer Berufungserwiderung erläutert sie insbesondere im Einzelnen ihre Behauptung, dass der zum Vertragsschluss führende Reisevorschlag des Reisebüros dem Kläger über den Internetdienst "Dropbox." als Digitaldatei zur Verfügung gestellt worden sei und diejenigen

Informationen zu den Einreisebestimmungen für Einreise in das französische Übersee-Département L. R. enthalten habe, die auch im Reiseprospekt abgedruckt und inhaltlich - insoweit unstreitig - zutreffend waren.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis darüber erhoben, welche mündlichen Äußerungen die Mitarbeiterin des Reisebüros gegenüber dem Kläger und seiner Lebensgefährtin bezüglich der Einreisebedingungen in L. R. machte, und darüber, ob der Kläger in diesem Zusammenhang den einschlägigen Reiseprospekt der Beklagten mit den darin enthaltenen - zutreffenden - Angaben zu den Einreisebedingungen erhielt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf...

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