Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis einer sach- und fachgerechten Reparatur eines unstreitig nur äußerlichen Bagatellschadens (Kratzer)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschädigte kommt seiner Darlegungs- und Beweislast einer sach- und fachgerechten Reparatur eines (unstreitig) nur äußerlichen Bagatell-Vorschadens (Kratzer) bereits dann nach, wenn er dem Gericht gem. § 287 ZPO mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachweist, dass ein Vorschaden nicht mehr erkennbar war. Diese Erkennbarkeit kann das Gericht anhand des Akteninhalts selbst feststellen, wenn es sich bei dem Vorschaden um einen nur äußerlichen Kleinstschaden gehandelt hat, der - unstreitig - keine dahinterliegenden Bauteile betroffen hat.

2. In Bezug auf den Nutzungsausfall von Oldtimer Fahrzeugen weisen diese Fahrzeuge - als Liebhaberstücke - das grundsätzliche Gepräge von nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendigen Gegenständen auf. Soweit dies im Einzelfall anders sein mag, obliegt es dem Geschädigten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.

3. Allein subjektive Annehmlichkeiten rechtfertigen keinen Nutzungsausfallersatz, der sich als wirtschaftliche Einbuße an objektiven Maßstäben zu orientieren hat. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB, die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17-18; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 04.11.2022; Aktenzeichen 5 O 112/22)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04. November 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg - 5 O 112/22 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.269,43 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 434,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Oktober 2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 17 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 83 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.119,43 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Eigentümer eines Pkw Mercedes (Oldtimer) mit dem amtlichen Kennzeichen ... (Erstzulassung 23.3.1988), der von dem Beklagten zu 2 am 19.8.2021 beim Rückwärtsausparken in einem Parkhaus in C. (...straße) an der linken hinteren Seite touchiert wurde. Die Beklagte zu 1 ist die Halterin des Beklagtenfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ..., dessen Haftpflichtversicherung bei der Beklagten zu 3 besteht. Die 100%-ige Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Der nahe M. lebende Kläger benutzte das Fahrzeug ausschließlich, wenn er seine Eltern in E. (ca. 25 km von C. entfernt) besuchte. Der Kläger fuhr dann mit dem Zug nach C., bevor er in seinen Pkw umstieg.

Bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2010 wurde das Klägerfahrzeug bereits an dem hinteren Stoßfänger, der zumindest zum Teil auch durch das aktuelle Schadensereignis betroffen war, beschädigt. Es handelte sich bei dem Erstanstoß um einen nur äußerlichen sehr geringen Schaden, der durch den Heckanstoß eines Motorrollers verursacht worden war. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Schaden aus dem Verkehrsunfall 2010 sach- und fachgerecht beseitigt wurde.

Der Kläger ließ den aktuellen Schaden reparieren, wodurch sich das Fahrzeug vom 22. August 2021 bis zum 7. September 2021 (K22) in der Reparatur befand. Er begehrt mit seiner Klage den Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 3.570,77 EUR (Anlage K3) sowie Nutzungsausfallentschädigung für 17 Tage à 50 EUR (850,00 EUR) und Gutachterkosten in Höhe von 668,66 EUR (Anlage K2).

Der Kläger hatte die Klage ursprünglich gegen die X-Versicherung erhoben. Unstreitig ist das Beklagtenfahrzeug aber bei der Y-Versicherung versichert, die auch die vorgerichtliche Schadensbearbeitung vorgenommen hat. Das Landgericht hat eine Rubrumsberichtigung von der X-Versicherung auf die Y-Versicherung durchgeführt, die ebenfalls zwischen den Parteien im Streit steht.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage vollständig stattgegeben. Es sei davon überzeugt, dass der Kläger den Schaden aus dem Jahr 2010 vollständig repariert habe. Dafür sprächen die vom Kläger vorgelegten Fotos, auf denen kein Schaden erkennbar sei, und der Sachverständige des Klägers, B., der ebenfalls keinen Vorschaden habe feststellen können. Dass der Kläger lediglich eine Kalkulation der Reparaturkosten für den Schaden (2010) vorgelegt habe, schade nicht, denn es sei nachvollziehbar, dass die Rechnung nicht mehr auffindbar sei. Der Kläger habe in glaubhafter Weise angegeben, sein Fahrzeug stets gepflegt und repariert zu haben.

Seinen Nutzungswillen habe der Kläger substantiiert dargelegt, die...

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