Leitsatz (amtlich)

1. Entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln muss der Versicherer nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.

2. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Für ein solches Bewusstsein des Versicherungsnehmers spricht, wenn er schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweigt oder solche, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags geführt haben oder die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erschienen sein mussten. Beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, muss der Beweis dagegen als nicht geführt angesehen werden.

 

Normenkette

BGB § 123

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 20.06.2006; Aktenzeichen 2 O 338/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.6.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gebührenstreitwert zweiter Instanz: 33.152,82 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin, geb. am 21.11.1955, beruflich bis zum 12.9.2003 als Teamassistentin (Sachbearbeiterin) in der Niederlassung F. der L. L. B.-W. GmbH (im Folgenden: L.) tätig, nimmt die Beklagte auf Rentenleistung und Rückzahlung von Beiträgen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der L., einer Baugesellschaft, bestand von Juli 2000 bis zur einvernehmlichen Beendigung zum 28.2.2005. Bis zu ihrer Krankschreibung ab dem 15.9.2003 war die Klägerin dort mit ca. 38,5 Wochenstunden vollzeitbeschäftigt.

Am 28.4.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Abschluss

einer Risiko-Lebensversicherung mit einer eingeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Im Antragsformular (Bl. 19 f. d.A.) kreuzte sie zur Gesundheitsfrage 8.1, ob in den letzten fünf Jahren bei ihr Krankheiten, Störungen oder Beschwerden bestanden bzw. gegenwärtig bestehen, das Antwortkästchen "nein" an. Die Frage 8.4a, ob sie in den letzten fünf Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden sei, beantwortete sie mit "ja" und konkretisierte dies mit

"Von: Hausarzt, Dr. W.

Wann; weshalb?

Grippe u.ä.".

Die Beklagte bat die Klägerin daraufhin mit zwei Schreiben vom 2.5.2003, die Dioptrienzahl ihrer Brillengläser bzw. Kontaktlinsen bekannt zu geben (Anlage B 3 im Aktenumschlag) und das Formular für eine Arztanfrage an Dr. W. mangels Anschrift an diesen weiterzuleiten (Bl. 49 f. d.A.). Der Internist Dr. med. H. W., L., dem die Klägerin das Formular persönlich aushändigte, gab in seinem am 13.5.2003 unterzeichneten Bericht (Bl. 88 d.A.) an, dass die Klägerin von ihm wegen üblicher grippaler Infekte und gelegentlicher Migräne, letztmalig am 6.5.2003, behandelt worden sei; ob sie auch in Behandlung anderer Ärzte (gewesen) sei, sei nicht bekannt. Daraufhin nahm die Beklagte den Antrag gemäß Versicherungsschein vom 1.6.2006 (Bl. 21 ff. d.A.) an, der eine jährliche Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 16.800 EUR mit jährlicher Erhöhung um 3 % vorsieht sowie die Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung (ALB02) und die Besonderen Bedingungen für die Risikoversicherung (T02), für Dynamik bei Risikoversicherungen (TD01) und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ03) als Vertragsgrundlagen einbezieht.

Im Jahr 1995 trat bei der Klägerin nach dem Tod ihrer Mutter und einem Herzinfarkt ihres Ehemannes eine depressive Episode auf, aufgrund derer sie im Jahr 1996 drei Wochen lang in der Kurklinik K. in P. am C. behandelt wurde. Am 18.4.1996 suchte sie die Sprechstunde des Facharztes für Orthopädie Dr. med. J. D., T., auf, der ein lumbales Facettensyndrom (degenerative Erkrankung der Lendenwirbelsäule, im Folgenden: LWS) bei Beckentiefstand links und reaktiver Lumbalskoliose (Verkrümmung der LWS) diagnostizierte und einen Verkürzungsausgleich links mittels Einlage und eine krankengymnastische Übungsbehandlung verordnete. Am 7.6.1999 stellte sich die Klägerin auf Überweisung durch ihren Hausarzt Dr. W. erneut wegen stärkerer lumbaler Beschwerden (LWS-Beschwerden) bei Dr. D. vor, die er ebenfalls auf die statische Skoliose und den Beckentiefstand links zurückführte und wiederum konservativ in Form von krankengymnastischen Übungen therapiere...

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