Leitsatz (amtlich)

1. Setzen Ehegatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament zu Vorerben sowie Kindes des Ehemannes aus einer früheren Ehe als Nacherben ein, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit der Nacherbe auch als Ersatzerbe für den Nachlass des überlebenden Ehegatten eingesetzt ist. Führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, ist die Zweifelregelung des § 2102 Abs. 1 BGB anzuwenden.

2. In einem solchen Fall ist sodann durch Auslegung zu ermitteln, inwieweit auch hinsichtlich der Ersatzerbeneinsetzung durch die Eheleute Wechselbezüglichkeit gem. § 2270 BGB gewollt war.

 

Normenkette

BGB §§ 2102, 2207

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 3 T 32/02)

AG Celle (Aktenzeichen 10 VI 304/02)

 

Tenor

Die Beschlüsse des LG Lüneburg vom 4.9.2002 und des AG Celle vom 20.6.2002 werden aufgehoben.

Das Verfahren wird an das AG Celle zur erneuten Entscheidung über den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) vom 25.4.2002 zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 35.000Euro

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist begründet (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG, § 546 ZPO).

1. Die Auslegung eines Testaments und damit auch die Frage, ob und inwieweit in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezügliche Verfügungen mit Bindungswirkung getroffen wurden, ist in erster Linie Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Maßgebend ist hierbei, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Betracht gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen oder dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGH v. 24.2.1993 – IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357 [363] = MDR 1993, 878; BayObLG v. 12.3.2002 – 1Z BR 14/01, NJW-RR 2002, 873 f.).

Gegen diese Auslegungsgrundsätze hat das LG verstoßen. Es hat – ebenso wie schon das AG – nicht hinreichend geprüft, ob und inwieweit sich aus § 2102 Abs. 1 und § 2270 BGB ergibt, dass die Erblasserin in dem notariellen Testament vom 7.3.1970 bereits eine wechselbezügliche Verfügung hinsichtlich ihres Nachlasses für den Fall des Vorversterbens ihres Ehemannes getroffen hat, die sie nicht mehr einseitig durch ihr Testament vom 27.1.1999 widerrufen konnte.

2.a) In dem notariellen Testament vom 7.3.1970 haben sich die Erblasserin und ihr am 16.5.1981 vorverstorbener Ehemann … gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, und zwar zu befreiten Vorerben, soweit das Gesetz eine Befreiung zulässt. Nacherben sollten die Beteiligten zu 1) und 2, zwei Kinder des Ehemannes aus einer vorangegangenen Ehe sein. Nicht zu beanstanden ist zunächst die Annahme des LG, bei dieser Verfügung von Todes wegen handele es sich nicht um ein gemeinschaftliches Testament gem. § 2269 Abs. 1 BGB. Soweit das LG festgestellt hat, der gemeinsame Wille der Eheleute sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht darauf gerichtet gewesen, dass nach dem Tod des Letztversterbenden der gemeinsame Nachlass an einen Dritten fallen soll, lässt dies Rechtsfehler nicht erkennen. Vielmehr haben die Eheleute sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Testaments gegenseitig zu befreiten Vorerben und die Beteiligten zu 1) und 2 als Nacherben des Erstversterbenden eingesetzt.

Das Testament ist insoweit unvollständig, als es lediglich Bestimmungen für den Nachlass des Erstversterbenden enthält. Nicht geregelt haben die Eheleute demgegenüber die Erbfolge nach dem Längstlebenden. Ob und gegebenenfalls welche letztwillige Verfügung die Eheleute hier treffen wollten, ist durch Auslegung des Testaments zu klären. Hierbei kommt es auf den übereinstimmenden Willen der Ehegatten zur Zeit der Errichtung des gemeinschaftlichen Testamentes an (BGH BGHZ 122, 229 [233]; BayObLG v. 12.8.1996 – 1Z BR 152/93, BayObLGReport 1994, 74 = FamRZ 1995, 251 [252]). Heranzuziehen sind hierbei nicht nur der Wortlaut der Erklärung, sondern alle auch außerhalb des Testaments liegenden Umstände, die zur Erforschung des wahren Erblasserwillens beitragen (OLG Brandenburg, a.a.O.; BayObLG v. 12.8.1996 – 1Z BR 152/93, BayObLGReport 1994, 74 = FamRZ 1995, 251 [252]). Hierzu gehören das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246 [249] = MDR 1981, 736).

b) Hier war deshalb zunächst durch eine Auslegung des Testaments zu ermitteln, ob die Erblasserin für den Fall ihres Überlebens die als Nacherben bezeichneten Beteiligten zu 1) und 2 zugleich als Ersatzerben anstelle ihres Ehemannes und damit als Vollerben zu gleichen Anteilen für den Fall ihres Überlebens einsetzen wollte (zu der hierzu erforderlichen Auslegung vgl. BayOblG v. 14.11.1991 – Breg. 1Z 48/91, FamRZ 1992, 476 [7] KG v. 17.10.1986 – 1 W 732/86, RPfleger 19...

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