Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechselbezüglichkeit einer Ersatzerbenberufung in einem gemeinschaftlichen Testament

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments, in dem sich Ehegatten gegenseitig zu befreiten Vorerben und die gemeinsamen Kinder als Nacherben berufen, jedoch keine ausdrückliche Regelung für die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten treffen.

2. Zur Beurteilung der Wechselbezüglichkeit einer im Wege der Auslegung festgestellten Ersatzerbenberufung der gemeinsamen Kinder für den Nachlass des letztversterbenden Ehegatten.

 

Normenkette

BGB § 2102 Abs. 1, § 2270 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 25.05.2004; Aktenzeichen 7 T 263/04)

AG Essen (Aktenzeichen 152 VI 147/03)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 2) hat die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 10.225 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Kinder der Erblasserin aus ihrer Ehe mit K.L., der am 23.5.1973 vorverstorben ist. Die weitere Tochter E. ist am 17.4.1987 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen ebenfalls vorverstorben.

Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 27.10.1971 ein notarielles Testament (UR-Nr. 00/1971 Notar T. in E.), das folgenden Wortlaut hat:

"1. Wir setzen uns gegenseitig zu Vorerben ein. Der Überlebende von uns soll von allen Beschränkungen befreit sein, soweit es das Gesetz zulässt.

2. Nach dem Tode des Längstlebenden sollen unsere nachstehend aufgeführten 3 Kinder Nacherben zu gleichen Teilen sein:

a) E.L., geb. 28.3.1946

b) M.L., geb. 8.2.1949

c) K.L., geb. 24.11.1950

3. Unser Sohn K. erhält nach dem Tode des Letztlebenden als Vorausvermächtnis ohne Anrechnung auf seinen Erbteil 60.000 DM; mindestens aber einen Betrag, welcher der Hälfte des Zeitwertes des Hauses (ohne Grundstück) in E., M.-straße 6 entspricht. Falls im Zeitpunkt des Todes des Letztlebenden auch das Grundstück Eigentum des oder der Erblasser geworden ist, erhält er auch den Grund und Boden.

4. Es wird folgende Teilungsanordnung getroffen:

a) Unser Sohn K. erhält das Haus in E., M.-straße 6;

b) Unsere beiden Töchter E. und M. erhalten zu je einhalb Anteil das Haus mit Grundstück in A., I.-tal 82.

5. Wenn eines unserer Kinder aus dem Nachlass des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, erhält es auch aus dem Nachlass des Zuletztversterbenden nur den Pflichtteil. Der freiwerdende Erbteil wächst sodann den übrigen Kindern im gleichen Verhältnis zu.

6. Falls eine unserer Töchter oder beide Töchter eine Aussteuer erhalten, haben sie sich den Wert dieser Aussteuer auf ihren demnächstigen Erbteil nach dem Tode des Letztlebenden von uns anrechnen zu lassen.

7. Jedes Kind hat im Falle der Veräußerung des Hauses und Grundstücks (Ziff. 4a bzw. 4b) das Vorkaufsrecht."

Die in diesem Testament erwähnten Immobilien - bei dem Haus M.-str. 6 in E. handelte es sich um ein Erbbaurecht - standen im Alleineigentum des Ehemannes. Beide Immobilien verkaufte die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes und erwarb für sich eine Eigentumswohnung, die sie zunächst mit einer in demselben Objekt gelegenen Eigentumswohnung der Beteiligten zu 2) tauschte und dieser sodann bereits zu Lebzeiten durch notariellen Vertrag vom 21.12.2000 übertrug.

Ebenfalls am 21.12.2000 errichtete die Erblasserin ein notarielles Einzeltestament, in dem sie die Beteiligte zu 2) zu ihrer Alleinerbin berief. In diesem Testament brachte die Erblasserin nach notarieller Belehrung über die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB ihre Auffassung zum Ausdruck, in ihrer Testierfreiheit nicht beschränkt zu sein, weil das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 keine Regelung über die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten enthalte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das eröffnete Testament vom 21.12.2000 Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 4.7.2003 (UR-Nr. 00/2003 Notar K. in E.) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligte zu 2) zu je 1/2-Anteil als Erben ausweisen soll. Zur Begründung hat er mit näheren Einzelheiten die Auffassung vertreten, das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 sei dahin auszulegen, dass die als Nacherben berufenen gemeinsamen Kinder auch als Erben des letztversterbenden Ehegatten eingesetzt seien. Diese Erbeinsetzung sei wechselbezüglich mit der Folge, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes gehindert gewesen sei, diese Verfügung zu widerrufen.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten. Sie nimmt für sich in Anspruch, durch das Testament der Erblasserin vom 21.12.2000 zu deren Alleinerbin berufen zu sein. So zu verfügen, sei die Erblasserin nicht gehindert gewesen, weil das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 keine Regelung für die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten enthalte.

Das AG hat durch Bes...

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