Leitsatz (amtlich)

1. Kann die Abstammung eines Kindes nicht über ein DNA-Abstammungsgutachten festgestellt werden, weil hierfür nicht ausreichendes genetisches Material des verstorbenen und eingeäscherten potentiellen Vaters zur Verfügung steht und andere Verwandte für ein Gutachten (§ 178 Abs. 1 FamFG) nicht in Betracht kommen, umfasst die Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG es nicht, nicht näher konkretisierten Behauptungen des Kindes nachzugehen, Kleidungsstücke mit möglichen genetischen Spuren des Verstorbenen befänden sich noch in der Wohnung der Witwe.

2. Einer Beweisaufnahme zur Feststellung der Vaterschaft durch eine genetisch-genealogische Analyse, die unter Verwendung einer genetischen Probe des Kindes durch einen Dienstleister im Ausland durchgeführt werden müsste, steht nach den §§ 1, 12, 13, 17 GenDG ein Beweiserhebungsverbot entgegen.

3. Die Feststellung der Vaterschaft aufgrund der Vermutung nach § 1600d Abs. 2 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die Beiwohnung in der gesetzlichen Empfängniszeit zur Überzeugung des Gerichts (§ 37 FamFG) nach einer erfolgten Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen erwiesen ist.

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Aktenzeichen 603 F 605/19)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 26. März 2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der verstorbene W. V. ihr Vater gewesen ist.

Als die Antragstellerin am ... 1987 geboren wurde, war ihre Mutter B., geb. am ... 1951, mit D. V., geb. am ... 1949, verheiratet. Die Antragstellerin wuchs im Glauben auf, dass D. V. ihr Vater sei. Die Ehe zwischen der Mutter und D. V. wurde im Jahr 1997 geschieden. Die Mutter heiratete erneut und nahm den Nachnamen K. an. Sie starb am ... 2010.

Die Beteiligte zu 2 ist die Witwe des am ... 2016 in H. (Region H.) verstorbenen W. V., der ein Halbbruder von D. V. war.

Im Jahr 2017 erzählte D. V. der Antragstellerin, dass er wahrscheinlich nicht ihr Vater sei, weil ihre Mutter vor ihrer Geburt einen Seitensprung mit seinem Halbbruder W. V. gehabt habe. Die Antragstellerin und D. V. führten daraufhin bei der Firma G. GmbH (...) einen DNA-Test durch, der ergab, dass D. V. nicht der Vater der Antragstellerin sein dürfte.

Auf den entsprechenden Antrag der Antragstellerin vom 21. August 2018 stellte das Amtsgericht Hannover nach Einholung eines genetischen Sachverständigengutachtens mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. November 2018 fest, dass D. V. nicht der Vater der Antragstellerin ist.

Am 1. Februar 2019 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht Hannover beantragt, festzustellen, dass W. V. ihr Vater ist. Hierzu hat sie mitgeteilt, dass sich im Institut für Pathologie des Klinikums ... noch Gewebeproben von W. V. befänden. Am 27. Februar 2019 hat das Amtsgericht beschlossen, durch die Untersuchung dieser Gewebeproben Beweis darüber zu erheben, ob W. V. der Vater der Antragstellerin ist. Mit Beschluss vom 15. März 2019 hat das Amtsgericht Dr. H. vom Institut für Forensische Genetik ... zum Sachverständigen bestellt. Mit Zustimmung des Instituts für Pathologie des Klinikums ... hat der Sachverständige das gesamte noch vorhandene Zellmaterial von W. V. ausgewertet. Im Gutachten vom 18. Oktober 2019 hat der Sachverständige ausgeführt, dass am vorhandenen Probenmaterial nur eine unzureichende Menge an menschlicher Zellkern-DNA nachgewiesen worden sei. Zur Feststellung der Abstammung sei das Probenmaterial daher ungeeignet.

Mit Beschluss vom 26. März 2020 hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht auf die sachverständigen Ausführungen verwiesen, dass das vorhandene Material nicht ausreichend sei, um eine Abstammung der Antragstellerin von W. V. festzustellen.

Der Beschluss vom 26. März 2020 ist der Antragstellerin am 13. Mai 2020 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Juni 2020, der an demselben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist, hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 26. März 2020 Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Amtsgericht D. V. als Zeuge hätte hören müssen. Sollte ein Abstammungsgutachten nicht erstellt werden können, könne die Entscheidung über die Abstammung allein auf die Zeugenaussage gestützt werden. Außerdem sei die Antragstellerin im Besitz weiterer Beweismittel, anhand derer die Abstammung festgestellt werden könne. So habe die Beteiligte zu 2 eine Fleece-Jacke, die W. V. getragen habe, nach dessen Tod D. V. übergeben, der die Jacke wiederum an die Antragstellerin weitergereicht habe. Zudem sei eine Geburtstagskarte vorhanden, die D. V. anlässlich seines 65. Geburtstags am ... Dezember 2014 von W. V. erhalten habe. Sowohl an der Fleece-Jacke als auch an der Geburtstagskarte könnten sich noch DNA-Spuren von W. V. befinden. Zu ...

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