Leitsatz (amtlich)

Sach- oder Geldleistungen an eine Schule im Rahmen einer Schulfotoaktion begründen den hinreichenden Tatverdacht einer Vorteilsgewährung und einer Unrechtsvereinbarung im Sinne der §§ 331 ff StGB (entgegen BGH, Beschluss vom 20.10.2005, I ZR 112/03, veröffentlicht u.a. in NJW 2006, 225 ff)

 

Tenor

  • 1.

    Der Beschluss vom 18.07.2007 wird zu Ziffer 2. und 3. teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

    • a)

      Die Anklage der Staatsanwaltschaft H. vom 14.12.2006 wird gegen die Angeklagten K. H. N. und H. B. im Hinblick auf die Fälle 1 bis 9 und 11 bis 16 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der Strafkammer 5 des Landgerichts H. (2. große Wirtschaftsstrafkammer) eröffnet.

    • b)

      Das Verfahren gegen die Angeschuldigten K. H. N. und H. B. wird hinsichtlich der Tat zu Ziffer 10. der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft H. vom 14.12.2006 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. In diesem Umfang trägt die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten.

    • c)

      Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeschuldigte A. N. wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten zu tragen hat, abgelehnt.

    • d)

      Es wird festgestellt, dass die Angeschuldigte A. N. für Schäden, die ihr aufgrund der Strafverfolgungsmaßnahmen entstanden sind, aus der Staatskasse zu entschädigen ist.

  • 2.

    Soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeschuldigte A. N. abgelehnt wurde, wird die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Angeklagten K. H. N. und H. B. tragen die Kosten des gegen sie geführten Beschwerdeverfahrens und die ihnen insoweit entstandenen Auslagen.

  • 4.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegen die Angeschuldigte A. N. und ihre insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Den Beschuldigten wird mit der Anklage Bestechung in 16 besonders schweren Fällen gemäß §§ 334 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 335 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt StGB zur Last gelegt. Der Angeklagte K. H. N. ist Gesellschafter und Angestellter der Firma G. f. Sch. K. H. N. mbH (im folgenden G.) und Komplementär der Firma G. G. für Sch.- und K. KG (im folgenden G.). Die Angeklagte H. B. ist Angestellte der G. und G. sowie Kommanditistin der G., die Angeschuldigte A. N. ist Geschäftsführerin und Gesellschafterin der G.. Ihnen wird mit der Anklage der Staatsanwaltschaft H. vom 14.12.2006 vorgeworfen, in insgesamt 16 Fällen mit den jeweiligen Leitern öffentlicher Schulen umsatzabhängige Rückvergütungen bzw. Geld- oder Sachspenden an die Schulen vereinbart und gewährt zu haben als Gegenleistung für die Gelegenheit zur Anfertigung von Schülerfotos oder sogenannten Schulsets und für die Erlaubnis zum Betreten der Schulgebäude und die Bereitstellung von Räumlichkeiten für die Anfertigung der Fotos. Dabei sollen die Ermessensentscheidungen der Schulleiter nicht nur von sachlichen Gründen, etwa Höhe des Preises, Qualität der Fotos und zügige Abwicklung der Fotoaufträge, sondern auch von der sachwidrigen Erwägung bestimmt worden sein, von den Firmen G. und G. Zuwendungen für die jeweilige Schule zu erhalten. Den drei Beschuldigten wird eine mittäterschaftliche Begehungsweise zur Last gelegt.

Die Einzelheiten ergeben sich aus Anklageschrift vom 14.12.2006.

Die Strafkammer 5 des Landgerichts H. lehnte mit Beschluss vom 18.07.2007 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Sie begründet dies im Anschluss an den in der Entscheidung des 1. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 20.10.2005 (11 ZR 112/03) entwickelten Begriff des "Vorteils" i. S. der §§ 331 ff. StGB im Wesentlichen mit der Erwägung, die geleisteten Zuwendungen enthielten keinen solchen Vorteil für die Schulen, da sie nicht unangemessen seien. Im Übrigen sei auch keine Unrechtsvereinbarung geschlossen worden, weil der Zusammenhang zwischen den jeweiligen Zuwendungen und der Entscheidung, den beteiligten Firmen das Durchführen der Fotoaktion zu ermöglichen, sich nicht als regelwidrig darstelle. Während der Tatzeiten habe es in Niedersachsen keine gesetzlichen oder ministeriellen Regelungen gegeben, die den Bereich der Schulfotografie einem besonderen Genehmigungsverfahren unterworfen hätten. Auch sonst gebe es keine Indizien für eine Regelwidrigkeit der Vereinbarungen zwischen G./G. und den Schulen, insbesondere sei von keiner Seite Druck auf die Schüler oder die Eltern ausgeübt worden, um höhere Umsatzbeteiligungen zu erzielen. In den Fällen 2, 7 und 13 bis 16 lasse sich ferner nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die bei den Vereinbarungen auf Seiten der beteiligten Schulen als Entscheidungsträger beteiligten Personen Amtsträger gewesen seien. Im Tatsächlichen begegne die Annahme mittäterschaftlichen Handelns, das allen drei Beschuldigten im Hinblick auf die angeklagten Taten zur Last gelegt worden sei, durchgreifenden Bedenken.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24.07.2007. Sie beantragt, den Beschluss d...

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