Leitsatz (amtlich)

Bei der Auslegung, wann Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude iSv. § 650 i Abs. 1 BGB vorliegen, ist zu berücksichtigen, dass diese Maßnahmen "erheblich" sein müssen. Diese Erheblichkeit ist erst dann erreicht, wenn die Umbaumaßnahmen in ihrem Umfang einem Neubau gleichkommen und mehrere Gewerke umfassen (aA: OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.03.2022 - 5 U 52/21).

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Aktenzeichen 1 O 152/20)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 30. Dezember 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Beschluss binnen zwei Wochen seit seiner Zustellung schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.500 EUR.

 

Gründe

Der Senat hält die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben. Insbesondere hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.

1. Der Beklagte nimmt ausweislich seiner Berufungsbegründung (S. 3) einen wirksamen Widerruf und seine Pflicht zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 12.500 EUR nicht in Abrede.

2. Soweit er im Wege der Aufrechnung diesem Anspruch einen eigenen Anspruch für angeblich erbrachte Werkleistungen im Umfang von 8.050 EUR entgegenhalten will, kann er damit aus verschiedenen Gründen den Rückerstattungsanspruch nicht zu Fall bringen.

a) Unklar bleibt dabei schon, warum der Beklagte ausweislich seiner Berufungsschrift vom 17. Januar 2022 weiterhin vollständige Klagabweisung beantragt, obgleich er mit seinem behaupteten Gegenanspruch im Umfang von 8.050 EUR den Rückzahlungsanspruch von vornherein nicht in Höhe des Differenzbetrages von 4.450 EUR zu Fall bringen kann.

b) Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass es sich bei dem in Rede stehenden Vertrag vom 18. August 2020, auf den eine Abschlagszahlung in Höhe von 12.500 EUR erbracht worden ist, nicht um einen Verbraucherbauvertrag iSv. § 650 i Abs. 1 BGB handelt. Verbraucherverträge sind danach Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

Auf die Differenzierung nach Bauvertrag bzw. Verbraucherbauvertrag kommt es vorliegend entscheidend an. Die Rechtsfolgen des Widerrufs bei Verbraucherbauverträgen richten sich nach § 355 Abs. 3 i.V.m. § 357 d BGB. Danach sind im Falle des Widerrufs die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren, wobei in den Fällen, in denen die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistung ihrer Natur nach ausgeschlossen ist, der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz schuldet. Bei der Berechnung des Wertersatzes ist die vereinbarte Vergütung zugrunde zu legen. Ist die vereinbarte Vergütung unverhältnismäßig hoch, ist der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwertes der erbrachten Leistung zu berechnen.

Ein solcher Vertrag liegt aber, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht vor, sondern (lediglich) ein Bauvertrag iSv. § 650 a BGB, der zwar Verbrauchervertrag iSv. §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB ist, nicht aber Verbraucherbauvertrag iSv. § 650 i Abs. 1 BGB.

Bei der Auslegung, wann Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude iSv. § 650 i Abs. 1 BGB vorliegen, ist zu berücksichtigen, dass diese Maßnahmen "erheblich" sein müssen. Dabei wiederum ist zu berücksichtigen, dass entsprechend dem Willen des Normgebers ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet wird (vgl. näher KG, 21 U 41/21, Urteil vom 16. November 2021, Rn. 32 bei juris). Daraus ergibt sich, dass diese Erheblichkeit erst dann erreicht ist, wenn die Umbaumaßnahmen in ihrem Umfang einem Neubau gleichkommen und mehrere Gewerke umfassen (ebenda, Rn. 33). Dabei haben hier die von dem Beklagten angeführten Arbeiten an Außenanlagen (Hof/Terrasse/Pflasterung) unberücksichtigt zu bleiben, da sie nie § 650 i BGB unterfallen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, 1 U 122/20, Urteil vom 15. Oktober 2021, Rn. 21 bei juris). An einem solchen Umfang fehlt es vorliegend offenkundig, ohne dass es noch auf Einzelheiten des vereinbarten Vertrages ankäme.

Die Rechtsfolgen des Widerrufs richten sich daher nach § 357 BGB, der § 355 BGB ergänzt und die Rechtsfolgen des Widerrufs bei solchen Verträgen abschließend (vgl. LG Flensburg, 2 O 96/18, Urteil vom 10. Mai 2019, Rn. 50 bei juris) regelt, die - wie hier - außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden (§ 312 b BGB).

Aus § 357 Abs. 1, 8 BGB ergibt sich vorliegend kein Anspruch des Beklagten auf Wertersatz. Der (unionsrechtliche) Begriff der Dienstleistung ist dabei sehr weit zu verstehen (vgl. EuGH, C-583/18; BGH, I ZR 68/15, Urteil vom 7. Juli 2016, Rn. 33 ff. bei juris). Wertersatz schuldet der Verbraucher aber nur, wenn er über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, was der Beklagte selbst nicht...

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