Leitsatz (amtlich)

In Kindschaftssachen (hier: einstweilige Anordnung zur Umgangsregelung) kommt eine Ablehnung von Mitarbeitern des Jugendamtes oder des Jugendamtes selbst wegen Befangenheit nicht in Betracht.

 

Normenkette

FamFG §§ 6, 30; ZPO § § 42 ff., § 406

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Aktenzeichen 610 F 5436/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.500 EUR

 

Gründe

I. Im vorliegend geführten einstweiligen Anordnungsverfahren um eine Regelung des Umgangs will der Antragsteller eine - namentlich benannte - zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes Hameln wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen und sie "von der weiteren Mitwirkung in diesem Verfahren ausschließen". Zur Begründung macht er geltend, die Mitarbeiterin habe durch die Äußerung gegenüber einer anderen Behördenmitarbeiterin sowie "durch die selektive Stellungnahme ... vom 14.12.2010" Anlass zu Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung gegeben.

Das AG hat mit Beschluss vom 20.1.2011 den Befangenheitsantrag als unzulässig zurückgewiesen, da ein solcher nur gegenüber Gerichtspersonen oder Sachverständigen in Betracht komme, nicht jedoch ggü. den Jugendämtern oder deren Mitarbeitern.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der sich gegen die Annahme der Unzulässigkeit seines Befangenheitsantrages wendet. Er macht ergänzend geltend, das Jugendamt Hameln sei in Ermangelung eines entsprechenden Antrages nicht Verfahrensbeteiligter nach § 7 FamFG; insofern sei die Stellung des Jugendamtes bzw. seiner konkreten Mitarbeiterin mit der eines Sachverständigen vergleichbar, so dass die Vorschriften bezüglich der Ablehnung von Sachverständigen jedenfalls entsprechend anzuwenden seien.

II. Die Beschwerde des Antragstellers kann in der Sache keinen Erfolg haben. Zutreffend hat das AG den gegen die Mitarbeiterin des Jugendamtes Hameln gerichteten Befangenheitsantrag als unzulässig zurückgewiesen.

1. Eine Ablehnung wegen Befangenheit gem. § 6 FamFG i.V.m. §§ 41 ff. ZPO kommt schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut in § 6 FamFG ausschließlich gegenüber Gerichtspersonen in Betracht, also gegenüber Richtern, Rechtspflegern oder Urkundsbeamten. Eine derartige Ablehnungsmöglichkeit ist Ausfluss des verfassungsmäßig garantierten Rechts der Beteiligten auf einen gesetzlichen, unparteiischen und neutralen Richter sowie auf ein faires Verfahren (vgl. nur Zöller28-Vollkommer, Vor § 41 ZPO Rz. 1 m.w.N.). Eine entsprechende Anwendung kommt daher allein insoweit in Betracht, als innerhalb eines justizförmigen Verfahrens Amtsträger oder Stellen vergleichbar tätig sind (vgl. Zöller, a.a.O., Rz. 3 a.E.); im Übrigen hat der Gesetzgeber die Ablehnungsmöglichkeit allein auf ganz eng begrenzte Fälle - jeweils durch ausdrückliche gesetzliche Regelung - ausgeweitet, und zwar auf Sachverständige in § 406 ZPO und auf Dolmetscher in § 191 GVG (jedoch nicht einmal auf Gerichtsvollzieher, für die nach § 155 GVG allein die objektiven Ausschließungsgründe gelten). Mithin ist im Verfahren über Kindschaftssachen die Ablehnung einer Jugendamtsmitarbeiterin über § 6 FamFG i.V.m. §§ 41 ff. ZPO ausgeschlossen.

2. Eine Ablehnung der Jugendamtsmitarbeiterin kommt auch nicht gem. § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO - also eine direkte oder entsprechende Anwendung der für Sachverständige geltenden Regelungen - in Betracht.

a. Insofern übersieht der Antragsteller im Rahmen seiner Beschwerde bereits, dass das AG im vorliegend betriebenen einstweiligen Anordnungsverfahren eine förmliche Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO - also im Wege des Strengbeweises - schon nicht ersichtlich angeordnet oder durchgeführt hat und ein solcher Strengbeweis für die summarische Prüfung im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens auch regelmäßig nicht angezeigt sein wird, so dass es bereits an der Grundlage für einen Rückgriff auf die nur in einem solchen Falle maßgeblichen ZPO-Vorschriften, hier namentlich § 406 ZPO und die darin eröffnete Möglichkeit der Ablehnung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, fehlt.

b. Unabhängig davon ist die Stellung des Jugendamtes bzw. der Jugendamtsmitarbeiter in Kindschaftssachen aber ohnehin weder diejenige eines Sachverständigen noch mit der eines Sachverständigen vergleichbar, so dass eine direkte oder analoge Anwendung von §§ 30 Abs. 1 FamFG, 406 ZPO auf die Ablehnung von Mitarbeitern des Jugendamtes in keinem Fall in Betracht kommt.

Das Jugendamt ist in die Person des Kindes betreffenden Kindschaftssachen gem. § 162 FamFG anzuhören; diese Anhörung dient der Aufklärung des Sachverhaltes (Zöller28-Philippi, FamFG § 162 Rz. 1; Prütting/Helms-Stößer, FamFG § 162 Rz. 2; Keidel16-Engelhardt, FamFG § 162 Rz. 2; so auch bereits OLG Köln - Beschl. v. 28.3.1978 - 4 WF 88/78 - Der Amtsvormund 1978, 800 f. [zur früheren Rechtslage bei einer Anhörung des Jugendamtes gem. § 48a JWG]) und gehört zu der durch das Gericht von Amts wegen vorzunehmenden Materialsammlung (vgl. OLG Bamberg - Beschl. v. 24.2.1988 - 2...

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