Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Betreuer in bestimmten Bereichen gem. §§ 1908i, 1795 BGB gehindert ist, die Betroffene zu vertreten, ist ein weiterer Betreuer Verhinderungsbetreuer.

2. Es ist unerheblich, ob die jeweilige Verhinderung nur gelegentlich, also "punktuell" auftritt. In Fällen der rechtlichen Verhinderung in Folge eines gesetzlichen Vertretungsverbotes ist die Verhinderung in dem betroffenen Wirkungskreis im Regelfall dauerhaft.

3. Der Verhinderungsbetreuer, der aufgrund rechtlicher Verhinderung des Ursprungsbetreuers bestellt worden ist, fällt nicht unter die Pauschalierungsgrundsätze der §§ 4, 5 VBVG.

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 10.09.2007; Aktenzeichen 8 T 68/07)

AG Lüneburg (Beschluss vom 08.06.2007; Aktenzeichen 21 XVII M 477)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen werden die Beschlüsse des LG Lüneburg vom 10.9.2007 und des AG Lüneburg vom 8.6.2007 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Vergütungsantrag des Beteiligten zu 2 sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das AG Lüneburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Der Betroffenen, die wegen fortgeschrittener Demenz und weiterer Störungen unter Betreuung steht, wurde der Beteiligte zu 1 als Betreuer zur Seite gestellt. Für bestimmte Aufgabenbereiche, nämlich den Bereich Vertretung der Betroffenen ggü. der ... ... ... ... ... sowie für alle Angelegenheiten betreffend den Nießbrauch, die Instandhaltung, die Renovierung und die Reparaturen für das Haus ... ... ... in ..., wurde der Beteiligte zu 2 als weiterer Betreuer bestellt, weil für diesen Wirkungsbereich der Beteiligte zu 1 als Mitglied des Vorstandes der ... an der Vertretung der Betroffenen gehindert ist. Der Beteiligte zu 2 hat über seine Tätigkeit für den Zeitraum vom 1.4.2006 bis 31.12.2006 gem. § 5 VBVG abgerechnet und die Regelvergütung mit 1.782 EUR begehrt. Das AG hat die entsprechende Vergütung mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss antragsgemäß festgesetzt. Gegen diese Entscheidung des AG hat der Beteiligte zu 1 (sofortige) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, der Beteiligte zu 2 sei Verhinderungsbetreuer i.S.d. § 1899 Abs. 4 BGB. Ihm stehe gem. § 6 Satz 1 nur eine niedrigere Vergütung zu.

Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf seinen bereits in einer vorher getroffenen Entscheidung vom 22.2.2007 dargelegten Rechtsstandpunkt verwiesen, wonach der Beteiligte zu 2 nicht lediglich bloßer Verhinderungsbetreuer i.S.d. § 1899 Abs. 4 BGB, sondern vollwertiger zweiter Betreuer i.S.d. § 1899 Abs. 1 BGB sei. Die auf § 1899 Abs. 4 BGB Bezug nehmende Vergütungsregelung des § 6 VBVG könne nur für den Fall gelten, dass ein Betreuer den Ursprungsbetreuer nur punktuell und für kurze Zeit vertreten müsse. Vorliegend habe sich der Beteiligte zu 2 dagegen regelmäßig wiederkehrend mit den Belangen der Betroffenen zu befassen, so dass auch für ihn der Rechtsgrund für eine Pauschalierung der Vergütung gegeben sei.

Dieser Rechtsauffassung tritt die Betroffene mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde entgegen.

II. Die vom LG ausdrücklich zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere auch form- und fristgerecht erhoben (§§ 56g Abs. 5, 27, 29 FGG).

Das Rechtsmittel ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung unmittelbar an das AG Lüneburg. Der Beschluss des LG ist rechtsfehlerhaft (§ 27 FGG, § 546 ZPO). Das LG hat die Vorschrift des § 1899 Abs. 4 BGB zu Unrecht auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt angewendet. Insbesondere hat die Kammer die Auswirkungen des § 6 VBVG auf die Vergütungsansprüche des Beteiligten zu 2 verkannt.

Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

Der Beteiligte zu 2 ist Verhinderungsbetreuer. Er ist vom AG zu Recht eingesetzt worden, weil der Beteiligte zu 1 in bestimmten Bereichen gem. §§ 1908i, 1795 BGB gehindert ist, die Betroffene zu vertreten. Entgegen der Auffassung der Kammer kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob die jeweilige Verhinderung nur gelegentlich, also "punktuell" auftritt. In Fällen der rechtlichen Verhinderung in Folge eines gesetzlichen Vertretungsverbotes ist die Verhinderung in dem betroffenen Wirkungskreis im Regelfall dauerhaft.

Bei der Frage, in welcher Weise die Tätigkeit eines Verhinderungsbetreuers zu vergüten ist, ist zu unterscheiden zwischen dem Betreuer, der wegen tatsächlicher Verhinderung des ursprünglichen Betreuers (Verhinderung wegen Urlaubs, Krankheit, längerer Abwesenheit des Betreuers) eingesetzt wird und demjenigen, der bestellt wird, weil der ursprüngliche Betreuer - wie vorliegend - in rechtlicher Hinsicht an der Vertretung des Betroffenen teilweise gehindert ist. Aus § 6 Satz 2 VBVG ergibt sich zweifelsfrei und nicht auslegungsfähig, dass die hier vom Beteiligten zu 2 begehrte pauschalierte Vergütung (§§ 4, 5 VBVG) ausschließlich für den Fall der Verhinderung tatsächlicher Art gilt. Diese klare gesetzliche Vorgabe bedeutet im Umkehrschluss, dass der Verhinde...

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