Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschgebühr bei wiederaufgenommenem Ermittlungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Pauschgebühr kommt für einen Verfahrensabschnitt grundsätzlich erst nach dessen Abschluss in Betracht. Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, nimmt diese wieder zurück und die Ermittlungen wieder auf, kann dem beigeordneten Verteidiger gleichwohl für die bisherige Tätigkeit eine Pauschgebühr bewilligt werden. Dieser ist nicht gehalten, stattdessen einen mit einem erhöhtem Begründungsaufwand verbundenen Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses auf die Pauschgebühr zu stellen.

 

Normenkette

RVG § 51

 

Tenor

1. Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

2. Dem Antragsteller wird über die nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgehenden gesetzlichen Gebühren für die Verteidigung des Beschuldigten bis zum 3. April 2012 eine Pauschvergütung in Höhe von 10.000 € zuzüglich Mehrwertsteuer bewilligt.

3. Der Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Gegen den Beschuldigten fand seit dem 30. Januar 2009 ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes statt. Der Antragsteller meldete sich am 9. Februar 2009 als Verteidiger zur Akte und wurde dem Beschuldigten am 20. März 2009 als Pflichtverteidiger beigeordnet. In der Zeit vom 19. März 2009 bis 2. Oktober 2009 befand sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft erhob am 27. August 2009 eine 25 Seiten umfassende Anklage zum Schwurgericht in Verden. Die der Kammer übersandten Akten umfassten zu diesem Zeitpunkt bereits 4 Bände Hauptakte sowie unzählige Spurenakten, die 6 Stehordner und 13 Umzugskartons ausfüllten. Die Kammer lehnte am 23. Oktober 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle diesen Beschluss am 7. April 2010 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Schwurgericht zurückverwiesen. Die Staatsanwaltschaft hat am 6. März 2012 die Anklage zurückgenommen.

Für seine Pflichtverteidigertätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt sind dem Antragsteller 1.920,36 € festgesetzt worden. Unter dem 3. April 2012 hat der Antragsteller eine Pauschgebühr in Höhe von 25.000 € geltend gemacht. Er beruft sich darauf, dass der Umfang der Akte mehr als 30.000 Seiten betrage, was einer Bearbeitungszeit von 62 vollen Arbeitstagen entspräche. Hinzu seien 10 Tage zusätzlicher Aufwand erforderlich gewesen, in denen er u. a. siebenmal den Beschuldigten zu Besprechungsterminen in der JVA aufgesucht, an einem Haftprüfungstermin teilgenommen und mehrere Schriftsätze gefertigt habe. Hinzu seien Schwierigkeiten bei der Verständigung mit dem nur einen seltenen Dialekt sprechenden Beschuldigten gekommen. Auch inhaltlich sei die Sache besonders schwierig gewesen.

Nachdem der Verteidiger Kenntnis davon erlangt hatte, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen am 20. April 2012 wieder aufgenommen hatte, beantragte er unter dem 11. Mai 2012 unter Bezugnahme auf seinen vorherigen Antrag nunmehr einen angemessenen Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr. Neben der bisher bereits erbrachten Tätigkeit sei mit weiterer Verteidigeraktivität zu rechnen.

Der Bezirksrevisor bei dem Oberlandesgericht hat unter dem 17. Januar 2013 Stellung genommen. Er hält die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 RVG für gegeben, die beantragte Pauschgebühr jedoch für weit überzogen. Er schlägt vor, dem Antragsteller zur Abgeltung jeglicher Erhöhungstatbestände eine Pauschvergütung in Höhe von insgesamt 2.500 € zu bewilligen.

II.

Dem Antragsteller war für die bisherige Tätigkeit über die nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgehenden gesetzlichen Gebühren eine Pauschgebühr in Höhe von 10.000 € zu bewilligen, weil die Strafsache besonders umfangreich und schwierig war.

1. Der Einzelrichter hat die Sache gemäß §§ 51 Abs. 2 Satz 4, 42 Abs. 3 Satz 2 RVG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

2. Dem Antragsteller war nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen, weil die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sache unzumutbar sind.

a) Zwar hat der Antragsteller mit seinem Antrag vom 11. Mai 2012 nunmehr einen angemessenen Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr beantragt, dessen weitere in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen (vgl. dazu unten). Der Senat hat diesen Antrag aber wohlwollend dahingehend ausgelegt, dass dieser nicht anstelle des Antrags vom 3. April 2012 treten soll, sondern einen zusätzlichen Antrag darstellt. Denn auf den Antrag vom 3. April 2012 hat es keinen Einfluss gehabt, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wieder aufgenommen hat. Zwar sieht der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Bewilligung einer Pauschgebühr nur für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte vor, sodass die Bewilli...

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