Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgerliches Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerdefrist des § 117 Abs. 1 2. Alt. GWB beginnt auch dann zu laufen, wenn eine Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt ist.

2. Ist die Fünfwochenfrist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB abgelaufen, ohne dass die Vergabekammer entschieden oder diese Frist verlängert hat, ist der Nachprüfungsantrag abgelehnt. Der Vergabekammer ist jede weitere Entscheidung (auch eine nachträgliche Verlängerung der Frist) untersagt.

 

Normenkette

GWB § 113 Abs. 1 S. 1, § 116 Abs. 2, § 117 Abs. 1 2.Alt.

 

Tenor

Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Das Land … schrieb Ende 1999 im Verhandlungsverfahren nach öffentlicher Vergabebekanntmachung den Neubau und die Finanzierung eines Transplantationsforschungszentrums und einer Frauenklinik der … aus. Von den Unternehmen, die sich für die Abgabe von Angeboten bewarben, wählte das … je Los sieben Bewerber aus und forderte sie zur Angebotsabgabe auf. Am 28. Juni 2000 forderte das … die in der engeren Wahl verbliebenen Bieter, zu denen die Antragsteller gehörten, zur Abgabe von „Optimierungsangeboten” auf. Die Antragsteller gaben ein solches Angebot innerhalb der bis zum 30. Juni 2000 gesetzten Frist ab. Weitere Gespräche mit den Antragstellern wurden nicht geführt. Mit Schreiben vom 31. Januar 2001 teilte das … den Antragstellern mit, ihr Angebot sei in der abschließenden Wertung nicht interessant gewesen; die Aufträge würden kurzfristig an die jeweils günstigsten Bieter erteilt.

Daraufhin haben die Antragsteller am 8. Februar 2001 ein Nachprüfungsverfahren beantragt. In dem Nachprüfungsverfahren hat die Vergabekammer hat dem Auftraggeber gestattet, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu erteilen. Auf Antrag der Antragsteller vom 7. März 2001 hat der Vergabesenat das Verbot des Zuschlags nach § 115 Abs. 1 GWB wieder hergestellt (Beschluss vom 21. März 2001 – 13 Verg 4/01).

Die Antragsteller machen geltend: Nach der Zustellung des Beschlusses wegen der Wiederherstellung des Zuschlagsverbots habe ihr Verfahrensbevollmächtigter am 26. und 27. März 2001 versucht bei der Vergabekammer einen Termin zur Akteneinsicht zu vereinbaren. Am 28. März 2001 habe der Vorsitzende der Vergabekammer telefonisch mitgeteilt, sobald die Akten wieder bei der Vergabekammer eingetroffen seien, würde dies mitgeteilt, so dass Akteneinsicht vorgenommen werden könne. In einem Telefongespräch vom 9. April 2001 habe eine Mitarbeiterin der Vergabekammer unter Hinweis auf §§ 113 Abs. 1 i.V.m. § 116 Abs. 2 GWB erklärt, nach Auffassung der Vergabekammer sei das Nachprüfungsverfahren wegen Fristablaufs beendet.

Mit der am 10. April 2001 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde nach § 116 Abs. 2 GWB haben die Antragsteller u.a. beantragt, dem Auftraggeber aufzugeben, bis zur Beendigung des Nachprüfungsverfahrens von einem Zuschlag an Dritte, insbesondere die für das Los A in Aussicht genommene Firma … und die für das Los B in Aussicht genommene …, abzusehen.

Am 4. April 2001 hat der Auftraggeber den Zuschlag anderweitig erteilt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der auf eine Anordnung nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB gerichtete Antrag bleibt erfolglos.

1)

Es kann dahin stehen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag deshalb fehlt, weil der Auftraggeber den Zuschlag am 4. April 2001 erteilt hat.

2)

Der Antrag ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die sofortige Beschwerde keine Erfolgsaussichten hat (§ 118 Abs. 2 GWB).

a)

Als Untätigkeitsbeschwerde (§ 116 Abs. 2 GWB) ist das Rechtsmittel unzulässig, weil es nicht innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Fünfwochenfrist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB eingelegt worden ist (§ 117 Abs. 1 2.Alt. GWB).

Allerdings führt diese gesetzliche Regelung zum Verlust des Rechtsschutzes im Vergabeverfahren, ohne dass der jeweilige Antragsteller im konkreten Fall auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, innerhalb bestimmter Frist Rechtsmittel einzulegen. Das Gesetz hebt diese Konsequenzen nicht deutlich hervor, sondern sie erschließen sich erst nach sorgfältiger, durch mehrfache Verweisungen erschwerter Lektüre. Das erscheint deshalb besonders unbefriedigend, weil der Antragsteller nur deshalb sofortige Beschwerde erheben muss, weil die Vergabekammer ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen ist, innerhalb der Fünfwochenfrist zu entscheiden oder zumindest diese Frist zu verlängern. Der – möglicherweise nicht anwaltlich vertretene – Antragsteller kann den genauen Fristablauf auch nicht ohne Rückfragen (Eingang des Antrags, Fristverlängerung?) zuverlässig ermitteln. Schließlich steht diese Regelung im Widerspruch dazu, dass §§ 114 Abs. 3 S. 3, 61 Abs. 1 S. 1 GWB für den Normalfall einer sofortigen Beschwerde eine Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich vorschreiben mit der Folge, dass die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt, wenn diese Belehrung unterblieben ist.

Der Senat hat deshalb geprüft, ob auch im Fal...

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