Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht des Unterlassungsschuldners zur Löschung von Verlinkungen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO kann auch dadurch verwirklicht sein, dass der Unterlassungsschuldner zwar den ursprünglichen Beitrag löscht, nicht aber eine von ihm vorgenommene Verlinkung auf diesen Beitrag entfernt, wenn sich diesem Link der Kern der zu unterlassenden Äußerung ebenfalls entnehmen lässt.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1004; ZPO § 890 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 13.06.2022; Aktenzeichen 6 O 70/22)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 21. Juni 2022 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 13. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner verbreitete auf der Internetplattform "F." öffentlich unter der Überschrift "Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin" einen von ihm selbst verfassten Beitrag. Einen Link auf den Artikel verbreitete der Antragsgegner auch in der F.-Gruppe "O.-O. D. h.". Wegen des genauen Inhalts des Beitrags und des Links wird auf die Anlagen AS 7 und AS 8 verwiesen. Ebenso verbreitete der Antragsgegner in den F.-Gruppen "G. d. J." und "W. i. l. i. C." je einen Link auf den Beitrag, in denen die Überschrift des Artikels - "Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin" - erkennbar ist. Wegen des weiteren Inhalts dieser Links wird auf die Anlagen OM 4 und OM 5 (Bl. 20 ff. d.A.) verwiesen.

Durch Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 24. März 2022 wurde der Antragsgegner unter anderem verpflichtet, es zu unterlassen, über die Antragstellerin identifizierend zu äußern oder zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, die Antragstellerin wäre eine Kinderrechteschänderin. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 4. April 2022 zugestellt. Bereits zuvor löschte der Antragsgegner den Beitrag auf der Internetplattform "F.". Die Links in den F.-Gruppen "G. d. J." und "W. i. l. i. C." waren am 21. April 2022 noch abrufbar. Auf Antrag der Antragstellerin verhängte die 6. Zivilkammer wegen der Zuwiderhandlung gegen die in der einstweiligen Verfügung vom 24. März 2022 enthaltene Unterlassungsverpflichtung durch die noch am 21. April 2022 abrufbaren Links ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft gegen den Antragsgegner.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde. Er behauptet, er habe bereits nach Eingang der Unterlassungsaufforderung vom 2. März 2022 sämtliche ihm bekannte Verlinkungen gelöscht. Da er nicht gewusst habe, in welche Gruppen der Beitrag geteilt worden sei, habe der Antragsgegner über F. nach dem Namen der Antragstellerin unter dem Reiter "Beiträge" gesucht und sämtliche Beiträge gelöscht, die von ihm gestammt hätten. So könne er auch die Beiträge erkennen, die nicht er, sondern andere geteilt hätten. Er habe sämtliche ihm zugängliche Artikel freiwillig und fristgerecht gelöscht.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Antragsgegner der durch Beschluss des Landgerichts Stade vom 24. März 2022 auferlegten Verpflichtung schuldhaft zuwider gehandelt hat.

1. Unstreitig ist es nach Zustellung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 24. März 2022 am 04. April 2022 zu zwei objektiven Verstößen gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot gekommen. Die Antragstellerin hat unter Vorlage zweier Screenshots (Anlage OM4 und OM5, Bl. 20 ff. d.A.) dargelegt, dass vom Antragsgegner in den F.-Gruppen "G. d. J." und "W. i. l. i. C." ein Link auf den Beitrag auf der Internetplattform "F." gepostet wurde. Jedenfalls am 21. April 2022 waren diese Links noch frei zugänglich. Der Antragsgegner hat dies nicht in Abrede gestellt, sondern in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 10. Mai 2022 eingeräumt, die Verlinkungen in den beiden genannten F.-Gruppen bei der Löschung vergessen zu haben (Bl. 27 d.A.).

2. Für den Verstoß ist unerheblich, dass in diesem Zeitpunkt der Beitrag auf der Plattform "F." bereits gelöscht war, da die Links mit dem Wortlaut "Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin?" selbst einen Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot darstellen. Ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung sind. Insoweit kommt es auf die "Identität des Äußerungskerns" an (vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2018, Az: VI ZR 330/17, Rn. 44, zit. nach juris).

Insoweit unterscheidet sich die jetzige Zuwiderhandlung von dem tenorierten Verbot zwar zum einen darin, dass die zu unterlassende Äußerung in Frageform dargestellt ist. Al...

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