Leitsatz (amtlich)

1. Eine titulierte Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich nicht in bloßem Nichtstun. Sie umfasst vielmehr auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustandes, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann.

2. Bezogen auf Verstöße durch Aussagen im Internet bedeutet dies, dass der Schuldner durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, dass die durch die Unterlassungsverpflichtung betroffenen Inhalte seiner Webseite - hier der Beitrag aus der Mediathek der Antragsgegnerin - nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, und zwar weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine.

3. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat für die selbstständige Weiterverbreitung der von seiner Webseite entfernten Inhalte durch Dritte grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist auch nicht gehalten, eine anlassunabhängige Suche nach solchen Weiterverbreitungen über die gängigsten Videoplattformen - hier Y.T. - vorzunehmen, wenn das Handeln der Dritten ihm nicht wirtschaftlich zugutekommt.

 

Normenkette

ZPO § 890

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 28.06.2017; Aktenzeichen 6 O 67/17)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 12.07.2018; Aktenzeichen I ZB 86/17)

 

Gründe

I. Der Antragsgegnerin ist mit einer durch Beschluss des Senats vom 11. April 2017 zum Az. 13 W 20/17 erlassenen einstweiligen Verfügung bei gleichzeitiger Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden, verschiedene Äußerungen im Zusammenhang mit einer Berichterstattung der Antragsgegnerin unter dem Titel "Wirbel um belasteten Bauschutt in H." in der Sendung "M." vom 13. März 2017 zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.

Nach Zustellung des Beschlusses am 20. April 2017 entfernte die Antragsgegnerin den Beitrag aus ihrer Mediathek und beantragte eine Löschung bei den gängigen Suchmaschinen, insbesondere bei G. Eine weitergehende Internetsuche nach etwaiger Weiterverbreitung des Videobeitrages führte die Antragsgegnerin nicht durch. Sie wurde deshalb erst durch den Ordnungsgeldantrag der Antragstellerin darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem 20. April 2017 der streitgegenständliche Bericht noch auf der Videoplattform Y. T. abrufbar war, wo er von dem Nutzer "G. S." eingestellt und mindestens 153 mal aufgerufen worden war.

Nach Erhalt des Ordnungsmittelantrages nahm die Antragsgegnerin Kontakt mit dem Anbieter von Y.T. auf und sorgte so dafür, dass der Beitrag auf Y.T. gelöscht wurde.

Das Landgericht hat auf Antrag der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld verhängt und dies damit begründet, die Antragsgegnerin habe im konkreten Fall nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan, um die Verletzung durch den Y.T.-Nutzer "G. S." zu verhindern. Sie sei wegen der absehbaren Weiterverbreitung des Beitrages aus ihrer Mediathek dazu verpflichtet gewesen, "die gängigsten Plattformen", darunter auch Y.T., unter Nutzung der dortigen Suchfunktion und der Eingabe von Schlagworten nach dem streitgegenständlichen Beitrag zu durchsuchen. Wegen des Verstoßes sei die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 5.000,00 EUR erforderlich und angemessen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, sie habe für das Handeln des Dritten "G. S." nicht einzustehen, weil der Verstoß ihr wirtschaftlich nicht zugutekomme, sie damit nicht ernstlich habe rechnen müssen und sie keine rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten des Dritten gehabt habe. Die vom Landgericht geforderte Einwirkung sei ihr auch nicht zumutbar, weil die Rechtsauffassung der Kammer dazu führe, dass eine Vielzahl von Videoportalen nach einem unklaren Katalog von Suchbegriffen zu durchsuchen sei. Insofern führe die angefochtene Entscheidung auch zu Wertungswidersprüchen zum etablierten Haftungskonzept bei der Verbreitung von Inhalten Dritter im Internet, wonach Löschungspflichten von Nicht-Tätern oder -Teilnehmern erst dann bestünden, wenn sie zuvor auf konkrete rechtsverletzende Verbreitungen durch Dritte hingewiesen worden seien. Jedenfalls fehle es am Verschulden der Antragsgegnerin, die mit einer anderweitigen Rechtsprechung nicht habe rechnen müssen. Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes sei mit Blick auf die geringe Schwere des - unterstellten - Verstoßes und die unverzügliche Reaktion der Antragsgegnerin unangemessen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragsgegnerin wird auf die Beschwerdebegründung (Bl. 110 ff. Ordnungsmittelheft) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache mit Beschluss vom 31. Juli 2017 (Bl. 127 Ordnungsmittelheft) dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 1 ZPO sind nicht erfüllt. Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Die Antragsgegnerin hat jedoch nicht schuldhaft gegen das...

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