Entscheidungsstichwort (Thema)

Entbehrlichkeit eines nach VKH-Bewilligung fristgerecht beim OLG eingereichten Wiedereinsetzungsantrages

 

Leitsatz (amtlich)

Zwar ist gemäß der Rechtsprechung des BGH "bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung" in Familienstreitsachen nach Beseitigung des Hindernisses für die Beschwerdeeinlegung innerhalb zweiwöchiger Frist einerseits beim AG die Beschwerdeschrift, andererseits beim OLG ein Wiedereinsetzungsantrag einzureichen (vgl. Beschl. v. 26.6.2013 - XII ZB 83/13, FamRZ 2013, 1385 ff. = MDR 2013, 1059 f. = juris m.w.N.). Jedoch ist - jedenfalls im Fall der Bewilligung innerhalb der Beschwerdefrist isoliert nachgesuchter Verfahrenskostenhilfe (VKH) - nach fristgerecht nachgeholter Beschwerdeeinlegung Wiedereinsetzung gem. § 236 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 ZPO von Amts wegen auch ohne (rechtzeitig) parallel beim OLG eingereichten Antrag zu bewilligen.

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 27.08.2013; Aktenzeichen 617 F 2525/13)

 

Tenor

Der Antragsgegnerin wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 27.8.2013 gewährt.

 

Gründe

I. Mit am 31.8.2013 zugestelltem Beschluss des AG Hannover vom 27.8.2013 hat das AG den zugunsten der Antragsgegnerin bestehenden Unterhaltstitel des AG Springe dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin seit Mai 2013 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Mit am selben Tag beim AG eingegangenem Schriftsatz vom 27.9.2013 begehrte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für eine gegen diesen Beschluss beabsichtigte Beschwerde der Antragsgegnerin. Der Senat hat diesem Antrag nach Anhörung des Antragstellers mit Beschluss vom 10.12.2013 entsprochen. Der Verfahrenskostenhilfe bewilligende Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin am 19.12.2013 zugestellt worden.

Mit an das AG adressiertem und bei diesem am 30.12.2013 eingegangenem Schriftsatz vom 20.12.2013 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren, und legte Beschwerde gegen den Beschluss des AG vom 27.8.2013 ein.

Mit am 8.1.2014 ausgeführter Verfügung vom 6.1.2014 hat das AG den Schriftsatz vom 20.12.2013 dem Senat nachgesandt, wo er am 10.1.2014 eingegangen ist.

II. Im Ergebnis war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO zu gewähren.

1. Eine Wiedereinsetzung aufgrund des diesbezüglichen Antrags der Antragsgegnerin vom 20.12.2013 gem. § 233 Satz 1 ZPO kommt dabei nicht in Betracht.

a) Der Wiedereinsetzungsantrag erweist sich als verfristet. Er ist nicht rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz ZPO beim gem. § 237 ZPO hierfür zuständigen Senat eingegangen (vgl. Nickel, MDR 2010, 1227, 1230). Fristablauf hierzu wäre am 2.1.2014 gewesen. Der Antrag ging jedoch beim OLG erst am 10.1.2014 ein.

b) Vorliegend ist unbeachtlich, dass zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim hierfür unzuständigen AG am 30.12.2013 die Frist noch nicht abgelaufen war. Zwar folgt aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG die Verpflichtung des Richters, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Falle der offensichtlichen eigenen Unzuständigkeit an das zuständige Gericht weiterzuleiten (BVerfG, Beschl. v. 17.1.2006 - 1 BvR 2558/05, NJW 2006, 1579; BGH, Urt. v. 1.12.1997 - II ZR 85/97, NJW 1998, 908).

Allerdings besteht im Sinne dieser Rechtsprechung die Verpflichtung nur insoweit, als die Weiterleitung im üblichen Geschäftsgang erfolgen soll. Angesichts des Eingangs des Schriftsatzes vom 20.12.2013 erst am 30.12.2013 war gerade angesichts des bevorstehenden Jahreswechsels nicht zu erwarten, dass eine derartige Weiterleitung noch erfolgreich bis zum Ablauf des 2.1.2014 stattfinden konnte.

c) Vielmehr hätte es dem Verfahrensbevollmächtigten - wie im maßgeblichen Zeitpunkt auch geklärt war - bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung oblegen, bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist einerseits die Beschwerde - wie geschehen - beim AG einzulegen und andererseits beim OLG Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu beantragen (BGH, Beschl. v. 26.6.2013 - XII ZB 83/13, FamRZ 2013, 1385 = MDR 2013, 1059; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.8.2011 - XII ZB 50/11, FamRZ 2011, 1649).

Letzteres ist, wie ausgeführt, nicht rechtzeitig erfolgt.

2. Allerdings war die Wiedereinsetzung in die Versäumung der Beschwerdefrist gleichwohl zu gewähren.

§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO erlaubt ausdrücklich die Gewährung der Wiedereinsetzung von Amts wegen für den Fall, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist. Mit der Einlegung der Beschwerde beim hierfür gem. § 64 Abs. 1 FamFG zuständigen AG noch innerhalb der Zweiwochenfrist ist diese Voraussetzung erfüllt. Nach der Rechtsprechung des BGH (Versäumnisu...

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