Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter bei Massearmut des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Insolvenzverwalter erhält jedenfalls keine Prozesskostenhilfe für ein Klagverfahren, das deswegen nicht geeignet ist, eine ersichtliche Massearmut zu beseitigen, weil der zu erstreitende Titel der Darstellung des Antragstellers zufolge ohnehin "nahezu uneinbringlich" ist.

 

Normenkette

ZPO § 114 S. 1, § 116 S. 1 Nr. 1; InsO § 207 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 24.01.2012; Aktenzeichen 1 O 257/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 6.2.2012 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 24.1.2012 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen den Beschluss des LG, mit dem dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für einen gegen den Antragsgegner zu führenden Rechtsstreit verweigert worden ist, erweist sich als unbegründet.

Zwar vermag sich der Senat der Auffassung des LG, den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubigern der Insolvenzschuldnerin sei eine Aufbringung der Kosten zuzumuten, weil diese im Erfolgsfall der Klage mit einer Quote von 3,5 % statt mit einem völligen Ausfall ihrer Forderungen rechnen könnten, angesichts der Beträge, die das im Streitfall ausmacht, nicht anzuschließen. Zum einen rechtfertigt eine derart geringe Quote eine Pflicht zur Kostenbeteiligung nach Auffassung des Senats ohnehin nicht (auch wenn insoweit keine festen Grenzen bestehen, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 25.11.2010 - VII ZB 71/08, Zumutbarkeit bei einer erwartbaren Quote von etwa 14 %). Zum anderen setzt die vom LG angenommene Quote von 3,5 % nicht nur einen vollen Erfolg der Klage, sondern auch der anschließenden Vollstreckung voraus. Diese aber ist nicht ohne weiteres zu erwarten; der Antragsteller, der zunächst Abschläge von 2/3 wegen der Prozess- und Vollstreckungsaussichten angesetzt hat, hält die Forderung ausweislich der Beschwerdebegründung für "nahezu uneinbringlich". Diese Einschätzung scheint nicht fern zu liegen, schon die Mitwirkung des Antragsgegners im Insolvenzverfahren ist nur durch Zwangsmittel zu erreichen gewesen (vgl. Haftbefehl des AG Lüneburg vom 12.1.2011, Bl. 23 d.A.). Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind Vollstreckungsaussichten zu berücksichtigen (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Rz. 11 zu § 116).

Jedoch steht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe deshalb nicht zu, weil das Insolvenzverfahren ersichtlich als massearm anzusehen und einzustellen ist, weshalb die Führung des beabsichtigten Rechtsstreits nicht (mehr) zu den Aufgaben des Antragstellers gehört. In der Insolvenzmasse befindet sich nach Darstellung des Antragstellers kein Guthaben, stattdessen ist mit Verfahrenskosten in fünfstelliger Höhe und voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz von etwa 4.000 EUR zu rechnen. Die Forderung gegen den Antragsgegner hält der Antragsteller wie gesagt für "nahezu uneinbringlich".

Bei dieser Sachlage kann der Antragsteller Prozesskostenhilfe nicht erhalten, weil dann, wenn sich die Massearmut herausgestellt hat, nur noch die vorhandene liquide Masse - zu der bestrittene Forderungen nicht gehören - verteilt wird und naheliegende und risikolose Verwertungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Durchsetzung des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs, die nicht mehr dazu geeignet ist, die hier bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben, gehört nicht mehr zu seinen gesetzlichen Aufgaben (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 221/08). Wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, hat das Insolvenzgericht das Verfahren, sofern nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden, einzustellen (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen. Bis zur Einstellung des Verfahrens bleibt er zwar zur Verwaltung der Insolvenzmasse berechtigt und verpflichtet, er mag auch noch befugt sein, naheliegende Verwertungsmöglichkeiten zu nutzen. Ein Rechtsstreit stellt aber keine naheliegende und risikolose Verwertungsmaßnahme dar, weil er typischerweise beträchtliche Zeit in Anspruch nimmt und das Risiko birgt, die Masse mit zusätzlichen Kosten zu belasten (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 7 nach juris). Es kann daher kein Anspruch auf Finanzierung des Rechtsstreits auf Kosten der steuerfinanzierten Staatskasse bestehen, der entweder die vom Gesetz verlangte Einstellung des Insolvenzverfahrens hinausschieben würde oder - sofern das Insolvenzverfahren dennoch eingestellt würde - anschließend von der Schuldnerin nicht mehr fortgesetzt werden könnte.

In dieser Hinsicht kann sich der Antragsteller auch nicht auf die "Ordnungsfunktion" des Insolvenzverfahrens berufen, von der er offenbar eine generalpräventive Legitimation erwartet. Da -...

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