Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Gebühren und Auslagen eines Nebenklagevertreters durch die Staatskasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Nebenklagevertreter hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse nach § 55 RVG, soweit diese vor Beantragung der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO entstanden beziehungsweise angefallen sind.

2. § 48 Abs. 6 S. 1 RVG ist für einen Rechtsanwalt, der als Nebenklagevertreter unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinzugezogen wird, nicht anwendbar (entgegen: OLG Koblenz, Beschluss vom 14.06.2007, Az.: 2 Ws 300/07).

3. Bereits die Auslegung des Wortlautes der für die vorliegende rechtliche Konstellation geltenden Vorschriften des § 397a Abs. 2 und 3 StPO sowie der Prozesskostenhilfe (§§ 114 bis 127 ZPO) spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG.

 

Normenkette

StPO § 397a Abs. 2-3; RVG § 6 S. 1, § 48 Abs. 6 S. 1, § 55; ZPO §§ 114-127

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 19.09.2018; Aktenzeichen 96 Qs 95/18)

AG Hannover (Entscheidung vom 20.08.2018; Aktenzeichen 220 Ds 7311 Js 42280/16)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird verworfen.

 

Gründe

I.

In dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Hannover ist mit Beschluss vom 19.06.2017 die Nebenklage zugelassen worden. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und in der Hauptverhandlung als Vertreter des Nebenklägers aufgetreten. Die Hauptverhandlung erstreckte sich über 14 Termine im Zeitraum vom 23.08.2017 bis zum 26.02.2018. Bei Gericht eingehend am 07.12.2017 beantragte der Nebenkläger mit Schreiben vom 06.12.2017 für die Hinzuziehung seines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO. Diesen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Amtsgericht durch Beschluss in dem Hauptverhandlungstermin vom 08.12.2017 ohne Ratenzahlung bewilligt.

Mit seinem Schreiben vom 22.05.2018 beantragt der Nebenklagevertreter die Festsetzung und Erstattung im Einzelnen dargelegter Gebühren und Kosten. Diese umfassen auch den Zeitraum vor der Antragstellung nach § 397a Abs. 2 StPO.

Abweichend von diesem Antrag hat die Kostenbeamtin des Amtsgerichts in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.06.2018 die beantragte Erstattung um den Betrag von 1.822,84 € gekürzt unter Hinweis darauf, dass eine Rückwirkung der Prozesskostenhilfe auf einen Zeitpunkt vor der Antragstellung ausgeschlossen sei.

Im Einzelnen wurden folgende geltend gemachte Gebühren und Kosten abgesetzt:

Gebühr

Nr. RVG-VV

Betrag in €

Grundgebühr

4100

160,00

Verfahrensgebühr

4104

132,00

5 Termingebühren zu je 220,00 €

HVT vom 23.08.2017, 13.09.2017, 20.10.2017, 10.11.2017 und 24.11.2017)

4108

1.100,00

Postauslagenpauschale

(Ermittlungsverfahren)

7002

20,00

Kopierkosten bis 05.12.2017

7000

119,80

anteilige Umsatzsteuer

7008

291,04

Summe

1.822,84

Mit seiner Erinnerung vom 10.07.2018 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss verfolgt der Nebenklagevertreter seinen Antrag auf Kostenfestsetzung in voller Höhe weiter und verweist hierzu auf die Bestimmung des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang zur Stellungnahme der Bezirksrevisorin vorgelegt. Die Bezirksrevisorin hat mit ausführlicher Begründung vom 01.08.2018 sowie ergänzend vom 10.08.2018 bei dem Amtsgericht den Antrag gestellt, die Erinnerung zurückzuweisen. Mit Beschluss vom 20.08.2018 hat das Amtsgericht die durch die Kostenbeamtin abgesetzten Beträge dem Nebenklagevertreter zugesprochen und die zu erstattende Vergütung dem Antrag des Nebenklagevertreters entsprechend festgesetzt.

Hiergegen hat sich die Bezirksrevisorin mit ihrer Beschwerde vom 30.08.2018 gewandt und beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 20.08.2018 aufzuheben. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit dem Beschluss der Beschwerdekammer des Landgerichts Hannover vom 19.09.2018 ist der Beschluss des Amtsgerichts Hannover aufgehoben und damit schlüssig der geltend gemachte weitergehende Anspruch des Nebenklagevertreters zurückgewiesen worden. Zugleich hat das Landgericht die weitere Beschwerde gegen seinen Beschluss nach § 33 Abs. 6 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

Am 05.10.2018 hat der Nebenklagevertreter (weitere) Beschwerde eingelegt, der durch die Beschwerdekammer nicht abgeholfen worden ist.

II.

Dem zulässigen Rechtmittel bleibt der Erfolg versagt.

1. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 33 Abs. 6 S. 1, 56 Abs. 2 S. 1 RVG statthaft.

Das nach §§ 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 S. 4, 56 Abs. 2 S. 1 RVG befristete Rechtsmittel (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Auflage 2017, § 33 Rn. 19) ist rechtzeitig eingelegt worden. Dem Kostenband ist zwar eine förmliche Zustellung des Beschlusses des Landgerichts vom 19.09.2018 an den Nebenklagevertreter nicht zu entnehmen. Da die Absendung des Beschlusses jedoch laut Vermerk der Geschäftsstelle am 02.10.2018 erfolgt und das Rechtsmittel bereits am 05.10.2018 eingegangen ist, ist die gesetzliche Frist von zwei Wo...

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