Verfahrensgang

AG Verden (Aller) (Beschluss vom 30.05.2022; Aktenzeichen 5 F 96/22)

AG Verden (Aller) (Beschluss vom 29.06.2021; Aktenzeichen 5 F 144/21)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 27.12.2022; Aktenzeichen 1 BvR 1943/22)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden des Amtspflegers und des Verfahrensbeistandes und unter Zurückweisung der Beschwerde der Kindeseltern wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Verden (Aller) vom 30. Mai 2022 geändert.

Die Umgangsregelung in dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Verden (Aller) vom 29. Juni 2021 (Az.: 5 F 144/21 UG) wird dahingehend abgeändert, dass der Umgang der Kindeseltern mit dem Kind A. H., geboren am 11. September 2013, bis zum 1. September 2024 ausgesetzt wird.

Bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen den Umgangsausschluss kann Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft gegenüber dem jeweils verpflichteten Elternteil angeordnet werden (§ 89 Abs. 1 und 3 FamFG), worauf hier von Gesetzes wegen (§ 89 Abs. 2 FamFG) hingewiesen wird.

II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 2. und 3. sind die Eltern des hier betroffenen Kindes A. H., geboren am 11. September 2013. A. lebt seit dem 13. April 2019 in der Pflegefamilie S..

Das Amtsgericht Verden hat in dem Verfahren 5 F 86/19 mit Beschluss vom 4. April 2019 im Wege der einstweiligen Anordnung den Kindeseltern die elterliche Sorge für A. in den Bereichen der Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge sowie des Rechts, öffentliche Hilfen zu beantragen, entzogen und auf das Jugendamt des Landkreises V. als Pfleger übertragen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindeseltern hat der Senat durch Beschluss vom 26. Juni 2019 (19 UF 91/19) zurückgewiesen.

In dem Umgangsverfahren 5 F 144/21 UG hat das Amtsgericht -Familiengericht- Verden (Aller) den Umgang der Kindeseltern mit A. zuletzt durch Beschluss vom 29. Juni 2021 geregelt. Danach haben die Kindeseltern das Recht zum Umgang mit A. an jedem ersten Dienstag im Monat von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Der Umgang findet in Begleitung von Frau A. O. vom Verein S. e.V. an einem von der Umgangsbegleiterin zu bestimmenden Ort statt.

In dem hier vorliegenden Verfahren begehren die Kindeseltern mit ihrem am 22. März 2022 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag eine Ausweitung der Umgangskontakte dahingehend, dass A. berechtigt sein soll, wöchentliche mehrstündige Umgangskontakte mit ihren Eltern und ihrem Bruder C. im Haushalt der Kindeseltern wahrzunehmen.

Unter dem 11. April 2022 teilte der Amtspfleger mit, dass eine Traumatherapie für A. als notwendig angesehen werde. Ak. zeige soziale Auffälligkeiten in der Pflegefamilie, z. B. Lügen, Entwenden von Dingen. In der therapeutischen Praxis G. S. habe A. sich beim Ersttermin schnell geöffnet. Die Therapeutin habe mitgeteilt, dass bei A. eine so genannte Traumafolgestörung indiziert werden könne. Sofern eine Therapie stattfinden solle, müsse der Umgang zu den Eltern aufgrund der ständigen Retraumatisierung komplett unterbunden werden.

Das Jugendamt berichtete unter dem 12. April 2022. Die Umgangsbegleiterin habe mitgeteilt, dass A. während der Umgänge häufig in Loyalitätskonflikte gebracht werde. Der Lebensmittelpunkt des Kindes in der Pflegefamilie werde hinterfragt. Anlässlich eines Umgangskontaktes habe die Kindesmutter A. ins Ohr geflüstert, dass die Familie um sie kämpfe und sie zurück in den elterlichen Haushalt hole. Im Übrigen habe die Umgangsbegleiterin mitgeteilt, dass die Umgänge von den leiblichen Eltern altersentsprechend gestaltet würden. A. werde aber zwischen den Wünschen und Erwartungen der Erwachsenen hin und her gerissen. Die Auffälligkeiten von A. hätten stark zugenommen. Sie reagiere in der Schule oft unangemessen und zickig gegenüber Mitschülerinnen. Es falle ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie habe eine massive Wut, die sie auch an Gegenständen auslasse. Gegenüber der Therapeutin habe A. berichtet, dass sie oft Angst gehabt habe und auch geschlagen worden sei. Frau S. empfehle eine Traumatherapie. Die Traumatherapie könne jedoch nur durchgeführt werden, wenn das Kind in Sicherheit sei und nicht durch Kontakte retraumatisiert werde.

Der Verfahrensbeistand teilte unter dem 16. Mai 2022 mit, dass die Traumatherapie am 26. April 2022 begonnen habe. Aus Sicht der Therapeutin sei es für die Dauer der Traumatherapie erforderlich, dass keine Kontakte zur Herkunftsfamilie stattfinden. Der Verfahrensbeistand berichtete, dass A. ihm eine Situation geschildert habe, bei der die Kindesmutter mit ihr im Bad alleine gewesen sei und zu ihr gesagt habe, dass sie für mehr Umgang kämpfen und A. zurückholen würde. Der Verfahrensbeistand hat sich dafür ausgesprochen, die Umgangskontakte für die Dauer der Traumatherapie auszusetzen.

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