Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausländische Anrechte im Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendung der Billigkeitsklausel des § 19 Abs. 3 VersAusglG.

2. Die geringwertige gesetzliche Rentenanwartschaft eines Ehegatten ist nicht nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Wertausgleich bei der Scheidung auszunehmen, wenn der andere Ehegatte in der Ehezeit ebenfalls eine gesetzliche Rentenanwartschaft erworben hat und die Ausgleichswertdifferenz der Anrechte die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG übersteigt, so dass § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht zur Anwendung kommt.

3. Im Erstverfahren über den Wertausgleich sind bei der Berechnung des Ehezeitanteils einer gesetzlichen Rentenanwartschaft nur die bis Ende der Ehezeit zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten zu berücksichtigen (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 22.11.2010, FamRZ 2011, 723).

4. Jedenfalls nach längerer Verfahrensdauer ist der nach § 14 Abs. 4 VersAusglG zum Vollzug der externen Teilung vom Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten an den Träger der Zielversorgung zu zahlende Betrag um die seit Ehezeitende eingetretene Wertsteigerung zu erhöhen. Das kann in der Form geschehen, dass eine Verzinsung des Ausgleichswerts in Höhe des Rechnungszinses der auszugleichenden Versorgung angeordnet wird.

 

Normenkette

VersAusglG §§ 18, 19 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 26.03.2010; Aktenzeichen 606 F 2026/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 26.3.2010 geändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto NR.) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht i.H.v.259 Entgeltpunkten auf das Versicherungskonto NR. bei der Deutschen Rentenversicherung Nord, bezogen auf den 31.1.2008, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Nord (Versicherungskonto NR.) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht i.H.v. 0,0841 Entgeltpunkten auf das Versicherungskonto NR. bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.1.2008, übertragen.

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der P. Lebensversicherung (VersicherungsnummeR.) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe eines Ausgleichswerts von 3.112,44 EUR, bezogen auf den 31.1.2008, bei der Versorgungsausgleichskasse begründet.

Die P. Lebensversicherung wird verpflichtet, diesen Betrag zzgl. 4 % Zinsen ab dem 1.2.2008 an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden zwischen den beteiligten Ehegatten gegeneinander aufgehoben. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 7.995 EUR (15.990 EUR × 0,5). Auf diesen Wert wird gem. § 55 Abs. 3 FamGKG auch der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens geändert.

Die Rechtsbeschwerde wird - beschränkt auf den Ausspruch zur internen Teilung der gesetzlichen Rentenanwartschaften der Beteiligten - zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 30.4.1996 geheiratet. Auf den am 14.2.2008 zugestellten Scheidungsantrag ist die Ehe durch Urteil des AG Hannover vom 29.2.2008, rechtskräftig seit 15.4.2008, unter Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich geschieden worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26.3.2010 hat das AG in der abgetrennten Versorgungsausgleichssache, die gem. Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG nunmehr als selbständige Familiensache zu behandeln ist (vgl. BGH FamRZ 2011, 635), nach Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens "zur Art und Höhe des Versorgungsausgleichs" entschieden, dass gem. § 19 Abs. 3 und 4 VersAusglG von der Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs (insgesamt) abgesehen und ein schuldrechtlicher Ausgleich vorbehalten werde. Nach den Ermittlungen des AG hat der Ehemann in der Ehezeit ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 1 und Anrechte aus betrieblicher Altersversorgung bei den Beteiligten zu 3 und 4 erworben, während die Ehefrau ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 2 und ein Anrecht auf eine staatliche Rente in Großbritannien erworben hat. Das AG hat die Durchführung eines Wertausgleichs insgesamt für unbillig gehalten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie beantragt, den Versorgungsausgleich durchzuführen, wie es rechtens sei, und macht geltend, ihre gänzliche Verweisung auf den schuldrechtlichen Ausgleich sei unbillig.

II. Auf das vorliegende, vor dem 1.9.2009 eingeleitete und aus dem Scheidungsverbund abgetrennte Verfahren finden gem. Art. 111 Abs. 4 FGG-RG das seit dem 1.9.2009 geltende neue Verfahrensrecht und gem. § 48 Abs. 2 und 3 VersAusglG das seit demselben Zeitpunk...

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