Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswerts eines Beschwerdeverfahrens des Schuldners in einem Ordnungsmittelverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Bestimmtheit eines Titels im Rahmen eines Verfahrens nach § 888 ZPO.

2. Der Gegenstandswert einer Beschwerde des Schuldners gegen die Verhängung eines Zwangsgeldes in einem Ordnungsmittelverfahren bemisst sich in der Regel nach der Höhe des gegen ihn festgesetzten Zwangsgeldes.

 

Normenkette

ZPO § 888

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 18.02.2014; Aktenzeichen 1 O 107/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Hannover vom 18.2.2014 aufgehoben.

Der Antrag des Gläubigers vom 14.11.2013 wird zurückgewiesen.

Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien haben vor dem LG in der mündlichen Verhandlung vom 17.7.2012 einen Vergleich geschlossen, der unter Ziff. 9 folgenden Inhalt hat:

"Ein gemeinsam zu beauftragender Steuerberater/Wirtschaftsprüfer soll als Schiedsgutachter für die Parteien unter Verwertung der von dem Antragsteller und dem Antragsgegner zu erteilenden Auskünfte und vorzulegenden Unterlagen, insbesondere Kontounterlagen, die Privatentnahmen und -einlagen der Parteien überprüfen, die Einnahmenüberschussrechnung der G. GbR für den 31.12.2010 überprüfen sowie auf den 31.12.2011 die Einnahmen-Überschussrechnung und auf den 13.6.2012 die Auseinandersetzungsbilanz für die G. GbR erstellen ..."

Mit Schriftsatz vom 14.11.2013 hat der Gläubiger beantragt, gem. § 888 ZPO gegen den Schuldner wegen der Nichtvornahme der in Ziff. 9 des Vergleichs genannten Handlungen ein Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft festzusetzen. Mit Beschluss vom 18.2.2014 hat das LG diesem Antrag stattgegeben und gegen den Schuldner ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000 EUR verhängt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners. Er meint, dass ein Zwangsgeld insbesondere deshalb nicht hätte verhängt werden dürfen, weil die entsprechende Regelung im Vergleich zur Auskunftserteilung und Vorlage von Unterlagen nicht hinreichend bestimmt sei.

II. Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners hat Erfolg. Der Antrag des Gläubigers vom 14.11.2013 auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO ist nicht begründet.

1. Der Antrag des Gläubigers gründet sich auf Ziff. 9 des (gerichtlichen) Vergleiches vom 17.7.2012. Unabhängig davon, ob sich die Vollstreckung der darin geregelten Vorlage von Unterlagen nach § 888 ZPO oder nach § 883 ZPO analog richtet (vgl. zu dieser Problematik z.B. OLG Köln, Beschl. v. 27.8.1992 - 7 W 35/92, juris Rz. 4 f.), setzen sowohl ein Vorgehen nach § 883 ZPO wie nach § 888 ZPO (dem in jedem Fall die in Ziff. 9 des Vergleiches ebenfalls geregelte Auskunftserteilungsverpflichtung unterfällt) voraus, dass der dem Vollstreckungsantrag zugrunde liegende Titel den zu vollstreckenden Anspruch inhaltlich bestimmt ausweist (vgl. z.B. Schuschke/Walker-Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., vor §§ 704 bis 707 Rz. 12 ff.; Schuschke/Walker-Walker, a.a.O., § 883 Rz. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 883 Rz. 5; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 704 Rz. 4). Um in Bezug auf herauszugebende Unterlagen eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO oder § 883 ZPO durchführen zu können, ist demgemäß erforderlich, dass sich aus dem Titel im Einzelnen konkret ergibt, welche Urkunden der Schuldner herauszugeben bzw. vorzulegen hat, da es nicht dem Gerichtsvollzieher überlassen bleiben kann, aus einer Vielzahl von im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Schriftstücken diejenigen herauszusuchen, die unter einen im Vollstreckungstitel verwendeten unklaren Sammelbegriff fallen können. Die Beseitigung solcher Unklarheiten kann auch nicht im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO erfolgen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 27.8.1992 - 7 W 35/92, juris Rz. 9). In der Rechtsprechung sind nach dieser Maßgabe beispielsweise Tenorierungen wie "diejenigen Belege beizufügen, aus denen die Richtigkeit des Zahlenmaterials entnommen werden kann" (BGH, Urt. v. 26.1.1983 - IVb ZR 355/81, juris Rz. 11), "Vorlage der für die Bewertung erforderlichen Unterlagen" (OLG München, Beschl. v. 27.5.1993 - 1 U 6228/92, juris Rz. 8) und "soweit Belege vorhanden sind, diese vorzulegen" (OLG Köln, Beschl. v. 27.8.1992 - 7 W 35/92, juris Rz. 10 i.V.m. Rz. 1) als nicht hinreichend bestimmt und deshalb als nicht zur Vollstreckung geeigneter Ausspruch beurteilt worden.

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der von dem Gläubiger in Bezug genommene Titel nicht hinreichend bestimmt. Die Formulierung in Ziff. 9 des Vergleichs vom 12.7.2012 genügt den vorstehend genannten Anforderungen nicht ansatzweise. Welche konkreten Urkunden der Schuldner herauszugeben bzw. vorzulegen hat und welche konkreten Auskünfte er zu erteil...

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