Leitsatz (amtlich)

Nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO und der Aufhebungsbeschluss nach § 124 ZPO an die Partei und nicht an ihren im Rechtsstreit bestellten Prozessbevollmächtigten zuzustellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er sich für das Abänderungsverfahren bestellt hat.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Nr. 2, § 172 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 04.05.2010)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.09.2011; Aktenzeichen VII ZB 63/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde vom 17.6.2010 gegen den Beschluss des LG Hannover vom 4.5.2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss der 17. Zivilkammer des LG Hannover vom 28.4.2004 ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug gewährt. Das Verfahren fand in der Hauptsache durch einen in der mündlichen Verhandlung vom 15.8.2008 geschlossenen Vergleich seinen Abschluss.

Zunächst mit Schreiben vom 16.12.2009, danach mit weiteren Schreiben vom 9.2.2010 und 1.3.2010 forderte die Rechtspflegerin des LG die Beschwerdeführerin im Rahmen von § 120 Abs. 4 ZPO mehrfach ergebnislos auf, sich über die Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären. Mit Beschluss vom 4.5.2010 hat das LG daher die bewilligte Prozesskostenhilfe gemäß den § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben. Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin mit Zustellungsurkunde vom 12.5.2010 zugestellt. Ihrem Verfahrensbevollmächtigten wurde die Ausfertigung formlos übersandt. Dort ging sie am 17.5.2010 ein.

Mit Schriftsatz vom 17.6.2010, der per Telefax am selben Tag beim LG einging, legte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin für diese Beschwerde ein. Auf den Hinweis des LG, dass die Beschwerdefrist infolge der am 12.5.2010 erfolgten Zustellung an die Beschwerdeführerin bereits am 14.6.2010 abgelaufen sei, verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass die Beschwerdefrist nicht durch Zustellung an sie in Gang gesetzt worden sei, sondern erst mit Eingang bei ihrem Verfahrensbevollmächtigten.

Mit Beschluss vom 27.7.2010 hat das LG entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und die Sache dem OLG Celle zur Entscheidung vorgelegt.

II.1. Das als sofortige Beschwerde gem. § 11 Abs. 1 RpflG, § 127 Abs. 2 Satz 2, §§ 567 ff. ZPO zu wertende Rechtsmittel ist unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden ist.

Nach § 127 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Notfrist von einem Monat einzulegen. Diese Frist begann mit der ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Beschwerdeführerin am 12.5.2010 und war daher bei Eingang der Beschwerdeschrift beim LG am 17.6.2010 bereits verstrichen.

Die Zustellung des Beschlusses an die Beschwerdeführerin selbst und nicht an ihren im früheren Hauptsacheverfahren für sie tätig gewordenen Rechtsanwalt war wirksam. Eine Zustellung an den - früheren - Prozessbevollmächtigten war nicht gem. § 172 Abs. 1 ZPO erforderlich (vgl. OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2008, 404 f.; OLG Köln, FamRZ 2007, 908; OLG Hamm OLGReport Hamm 2009, 297, 298; OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2009, 377; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.6.2010 - 15 WF 198/10, zitiert nach juris Tz. 4; Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 120 Rz. 28; Thomas/Put-zo/Hüsstege, ZPO, 30. Aufl., § 172 Rz. 7; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 124 Rz. 3 sowie Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 172 Rz. 5; a.A. BAG, Beschl. v. 19.7.2006 - 3 AZB 18/06, zitiert nach juris Tz. 8; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1426 f.; Häublein in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 172 Rz. 19).

Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten nur in einem anhängigen Verfahren zu erfolgen. Dieses findet mit der formellen Rechtskraft der abschließenden Entscheidung seinen Abschluss (OLG Koblenz, a.a.O.). Das Prozesskostenhilfeaufhebungsverfahren, das erst nach Beendigung des Rechtsstreits eingeleitet wird, ist nicht Teil des Hauptsacheverfahrens. Es ist auch mit keinem der anderen Verfahren, die in § 172 Abs. 1 Satz 2 ZPO genannt werden, vergleichbar, weil es als reines Verwaltungsverfahren keinen Bezug zum materiell-rechtlichen Streit in der Hauptsache hat (OLG Hamm, a.a.O.).

Deshalb ist auch nicht entscheidend, ob der bevollmächtigte Rechtsanwalt auch bereits für das Prozesskostenhilfeantragsverfahren bestellt war (a.A. BAG, a.a.O., und OLG Brandenburg, a.a.O.). Selbst man dies als eigenständiges Verfahren ansieht, in dem § 172 ZPO gilt, so endet es jedenfalls mit der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag. Das Nachprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4, § 124 ZPO ist ein völlig neues und anderes Verfahren, für das eine neue Bevollmächtigung nötig wäre (OLG Hamm, a.a.O.).

Ebenso wenig handelt sich dabei um ein Wiederaufnahmeverfahren i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Darunter fallen die Verfahren nach §§ 578 ff. ZPO, die ebenfalls den materie...

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