Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu Gewährung einer Pauschgebühr in einem sog. Großverfahren

 

Tenor

  • 1.

    Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

  • 2.

    Dem Antragsteller wird für die Verteidigung des Angeklagten X. zusätzlich zu den Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis eine Pauschgebühr in Höhe von 26.000,- EUR bewilligt.

    Hinzu treten Auslagen und die Mehrwertsteuer, die besonders zu erstatten sind.

 

Gründe

I.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren insgesamt vier sukzessive erhobene Anklagen vor dem Schwurgericht, die sich gegen den Mandanten des Antragstellers und vier Mitangeklagte richteten und miteinander zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden. Dem Mandanten des Antragstellers wurde siebenfacher Mord in Tateinheit mit schwerem Raub und einem Verstoß gegen das Waffengesetz, begangen gemeinschaftlich bzw. unter Beteiligung der Mitangeklagten. vorgeworfen.

Die Akten inklusive Spurenakten und Sonderheften sowie Beiakten hatten bis zum Beginn der Hauptverhandlung einen Umfang von rund 40.000 Blatt. Während der laufenden Hauptverhandlung kam noch weiteres Ermittlungsmaterial in dem gleichen Umfang hinzu, welches den Verteidigern gespeichert auf Datenträgern zur Verfügung gestellt wurde. Die Beiordnung des Antragstellers erfolgte am 28. Juni 2007.

Die Hauptverhandlung begann am 27. August 2007 und wurde nach dem 19. Sitzungstag am 12. Dezember 2007 wegen Erkrankung einer Richterin ausgesetzt. Die Hauptverhandlung begann erneut am 9. Januar 2008 und endete nach 105 Sitzungstagen mit dem Urteil vom 13. Mai 2009. Der Antragsteller hat an insgesamt 100 Sitzungstagen teilgenommen. Das Urteil umfasst 209 Seiten. Die Revisionen der Angeklagten X. hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. Juli 2010 als unbegründet verworfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensablaufs wird auf den Sachbericht des Vorsitzenden der Hilfsstrafkammer 2 a des Landgerichts Stade vom 1. Dezember 2010 sowie die Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 28. Dezember 2010 Bezug genommen.

Dem Antragsteller sind für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger bisher Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis (ohne Auslagen und Mehrwertsteuer) in Höhe von insgesamt 51.112,00 EUR bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2010 hat er die Bewilligung einer zusätzlichen Pauschgebühr in Höhe von mindestens 25.000,00 EUR beantragt.

II.

1.

Der Einzelrichter hat die Sache gemäß §§ 51 Abs. 2 Satz 4, 42 Abs. 3 Satz 2 RVG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

2.

Dem Antragsteller war nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen, weil die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sache unzumutbar sind.

3.

a)

"Besonders umfangreich" im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz RVG ist eine Strafsache. wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2007 - 1 ARs 68/07 P; Burhoff, RVG, 2. Aufl., § 51 Rdnr. 20 m.w.N.). Als Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH RPfleger 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Hamm JurBüro 1999, 194; Burhoff a.a.O.). "Besonders schwierig" im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Sache, wenn sie aus besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. Senat a.a.O.; Burhoff, a.a.O. Rdnr. 13 m.w.N.).

Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall zweifelsfrei erfüllt. Auch insoweit wird zur näheren Begründung auf den Sachbericht des Vorsitzenden der Hilfsstrafkammer 2 a des Landgerichts Stade vom 1. Dezember 2010 sowie die Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 28. Dezember 2010 Bezug genommen.

b)

Es steht auch außer Frage, dass die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis unzumutbar sind. Der Senat hält im Rahmen seines insoweit auszuübenden pflichtgemäßen Ermessens (vgl. Hartmann, RVG 39. Aufl. § 51 Rdnr. 33) eine Pauschgebühr von zusätzlich 26.000 EUR für angemessen.

Maßgebend für die Höhe der Pauschgebühr ist bei Großverfahren - wie hier - das Gesamtgepräge des Verfahrens (st. Rspr.; vgl. Senat a.a.O. und Beschluss vom 2. März 2010 - 1 ARs 48/09 P; ebenso OLG Hamm, Beschl. vom 2.1.2007, 2 (s) Sbd. IX - 147/06, bei Burhoff-Online). Dieses wird nicht allein durch die Anzahl der Hauptverhandlungstage bestimmt. Sie stellt zwar gerade bei Großverfahren ein wichtiges Kriterium dar. Gleichzeitig muss aber auch die Dauer der einzelnen Verhandlungstage und die Dichte der Terminierung berücksichtigt werden (vgl. Burhoff a.a.O. Rdnrn. 99, 100). Als weitere Beurteilungskriterien sind insbesondere heranzuziehen der Umfang der Gerichtsakten, die Anzahl der vernommenen Zeugen und Sachverständigen, die Anzahl und Dauer von V...

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