Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs, Wahrnehmung von Wahlleistungen in einem Krankenhaus

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Frage einer Anwendung der in § 1357 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB geregelten Ausnahmeklausel ist nicht auf den Gläubigerschutz, sondern auf den unterhaltsrechtlichen Aspekt dieser Vorschrift abzustellen. Danach ist bei nicht getrennt lebenden Ehegatten an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie im Rahmen der §§ 1360, 1360a BGB bei Vertragsschluss anzuknüpfen. Entscheidend hierbei ist der Lebenszuschnitt der Familie, wie er nach außen in Erscheinung tritt und wie er sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters im Erscheinungsbild der Ehegatten darstellt.

Ist zu prüfen, ob privatärztliche Wahlleistungen (hier: Chefarztbehandlung, Zweibettzimmer) Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs i.S.d. § 1357 Abs. 1 BGB sind, ist bei der Frage einer Anwendung der in § 1357 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB geregelten Ausnahmeklausel nicht auf den Gläubigerschutz, sondern auf den unterhaltsrechtlichen Aspekt dieser Vorschrift abzustellen. Danach ist bei nicht getrennt lebenden Ehegatten an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie im Rahmen der §§ 1360, 1360a BGB bei Vertragsschluss anzuknüpfen. Entscheidend hierbei ist der Lebenszuschnitt der Familie, wie er nach außen in Erscheinung tritt und wie er sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters im Erscheinungsbild der Ehegatten darstellt.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen 1 O 2363/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bremen - 1. Zivilkammer - vom 18.2.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat mit vorliegender Klage die Beklagte, Witwe des am [...] 2007 verstorbenen Herrn F., auf Zahlung von Behandlungskosten und Kosten für stationäre Unterbringung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Erbschaft nach ihrem Ehemann ausgeschlagen.

In der Zeit vom 17.10.2006 bis zum 4.4.2007 begab sich der an einem Bronchialkarzinom und an Hirnmetastasen erkrankte Ehemann der Beklagten wiederholt in stationäre Behandlung bei der Klägerin und nahm dort Wahlleistungen in Anspruch (Behandlung durch den Chefarzt sowie gesonderte Unterbringung in einem Zweibettzimmer mit Dusche und Fernsehen). Dabei kam es zu einem insgesamt achtmaligen Krankenhausaufenthalt von jeweils verschiedener Dauer (zwei Tage bis drei Wochen). Bei den Aufnahmen begleitete die Beklagte ihren Ehemann regelmäßig in die Klinik, wo dieser dann den Aufnahmevertrag jedes Mal unterzeichnete. Nur am 10.3.2007 unterschrieb die Beklagte in Vertretung für ihren Ehemann.

Der Ehemann der Beklagten, der früher als selbständiger Teppichverleger gearbeitet hatte, unterhielt eine private Krankenversicherung mit einer jährlichen Selbstbeteiligung von 5.200 EUR Beide Eheleute lebten zusammen in einer Drei-Zimmer-Mietwohnung und verfügten im Oktober 2006 über ein gemeinsames Renteneinkommen von 1.407,15 EUR. Ab Dezember 2006 betrug die Rente insgesamt 1.660,56 EUR.

Die Klägerin berechnete für ihre Leistungen insgesamt 7.491,83 EUR. Nachdem schon die ersten Rechnungen nicht bezahlt worden waren, unterzeichnete Herr F. am 28.5.2007 ein "Schuldanerkenntnis" über die offen stehenden Forderungen und verpflichtete sich zu einer monatlichen Ratenzahlung von 200,00 EUR. Insgesamt wurden von ihm drei monatliche Raten von zusammen 600 EUR geleistet; der Betrag wurde mit den ältesten Rechnungen der Klägerin verrechnet.

Für Behandlungen in der Zeit vom 14.2.2005 bis zum 24.9.2005 im Klinikum [...] waren für privatärztliche Wahlleistungen sowie für die Unterbringung in einem Zweibettzimmer Behandlungskosten über zusammen 6.104,68 EUR entstanden, hinsichtlich derer das Klinikum Links der Weser am 15.12.2005 einen Mahnbescheid beantragt hatte. Auch hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten liegt ein Schuldanerkenntnis des Herrn F. mit der Verpflichtung zur Zahlung monatlicher Raten von 150 EUR vom 17.4.2007 vor, das nach Vortrag der Klägerin von der Beklagten unterzeichnet worden sein soll. Die Beklagte bestreitet dies.

Gestützt auf § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die Klägerin von der Beklagten den Restbetrag geltend gemacht.

Das LG Bremen - 1. Zivilkammer - hat der Klage mit Urteil vom 18.2.2009 i.H.v. 1.547,47 EUR nebst Zinsen (bezogen auf die letzte Behandlungsphase (10.03.-4.4.2007 = Rechnungen Nr. 90401508 - 90401510) teilweise stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Für die vor dem 10.3.2007 liegenden Behandlungen lägen die Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die sich vor allem darauf beruft, dass die Beklagte die von ihrem Ehemann gewünschte Privatliquidation jedenfalls konkludent genehmigt habe und dass diese Behandlungskosten nach den für ein...

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