Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Ersatz vorgerichtlicher Sachverständigenkosten in Unterscheidung zwischen Grundhonorar und Nebenkosten und unter Heranziehung der Beträge aus der BVSK-Honorarbefragung sowie zur Kostenpauschale im Rahmen von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall ist bei einer Überprüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB von Kosten eines vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen eine gesonderte Beurteilung des Grundhonorars und einzelner mit der Sachverständigenrechnung geltend gemachter Nebenkosten vorzunehmen.

2. Die im Rahmen einer hinreichend breiten Marktbefragung ermittelten Beträge für das von Sachverständigen berechnete Grundhonorar können eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der Plausibilität eines Sachverständigenhonorars im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB aus der Sicht des Geschädigten darstellen. Als plausibel erscheinen kann danach ein solcher Betrag, unterhalb dessen 95 % der berechneten Honorare nach den Angaben der Marktbefragung liegen (HB III-Betrag der BVSK-Honorarbefragung 2015).

3. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf solche in einer Kostenrechnung des vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen berechnete Beträge für Nebenkosten unter dem Gesichtspunkt der Plausibilitätsprüfung im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als nicht erkennbar überhöhten Kostenaufwand ansehen, die den Beträgen des Kostenersatzes für die betreffenden Nebenkosten nach dem JVEG entsprechen.

4. Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Bezug auf Nebenkosten des vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen ist die Orientierung an den Kostenerstattungssätzen nach dem JVEG gegenüber der Heranziehung der Beträge einer lediglich sektorbezogenen Marktbefragung wie der BVSK-Honorarbefragung 2015 vorzuziehen.

5. Auch ein vom vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen berechneter Pauschalbetrag für Nebenkosten wie Porto und Telefon ist unter dem Gesichtspunkt der Plausibilitätsprüfung im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht als erkennbar überhöhter Kostenaufwand anzusehen, soweit diese Kosten nicht entsprechende Pauschalbeträge für Kostenersatz nach anderen Regelungen wie insbesondere Nr. 7002 VV RVG übersteigen.

6. Für Fahrtkosten des vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen kann im Zuge der Plausibilitätsprüfung im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine Kostenerstattung in Höhe von EUR 0,70 pro Kilometer als nicht erkennbar überhöht angesehen werden.

7. Die Feststellung, dass ein Geschädigter einen Pauschalbetrag von EUR 25,- für die ihm zur Schadensabwicklung entstandenen Unkosten wie Porti, Telefonkosten und Ähnliches beanspruchen kann, ist von der Ausübung des tatrichterlichen Schätzungsermessens gemäß § 287 Abs. 1 ZPO umfasst. Im Bereich der Abwicklung von Schäden an Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr kann auch ohne näheren Vortrag zur Entstehung dieser Kosten eine Kostenpauschale in Höhe von EUR 25,- für den Geschädigten zugebilligt werden.

8. Im Rahmen der Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs kann eine Verzinsung nur geltend gemacht werden, wenn und soweit der Gläubiger im Rahmen der Haftung, von der er Freistellung beansprucht, ebenfalls einem solchen Zinsanspruch ausgesetzt ist.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 7 O 969/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 11.01.2018 (Az. 7 O 969/16) werden in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten und Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner verurteilt,

an die Klägerin weitere EUR 1.746,79 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2017 zu zahlen,

die Klägerin in Höhe von weiteren EUR 293,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2016 von der Forderung des Sachverständigenbüros D. freizustellen sowie

die Klägerin in Höhe von weiteren EUR 53,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2016 von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten freizustellen,

und es wird zudem die Beklagte zu 1. verurteilt,

an die Klägerin weitere Zinsen auf den Betrag von EUR 1.746,79 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2016 bis zum 01.09.2017 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 75 %. Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

III. Die Urteile des Landgerichts und des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Gegenstandswert der Berufung wird auf EUR 2.040,59 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Am 08.04.2016 kam es auf dem Betriebsgelände der Firma ... in...

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