Leitsatz (amtlich)

1. Die Herausgeber des sog. „Amtlichen” Telefonbuchs, die zugleich auch die sog. „Gelben Seiten” verlegen, unterliegen mit Rücksicht auf die von ihnen ausgeübte Marktmacht erhöhten Anforderungen, wenn sie sich weigern, die ihnen von im eigenen Namen handelnden Werbevermittlern angedienten Anzeigenaufträge entgegenzunehmen, die diese akquiriert haben.

2. Die von einem Werbevermittler verwendete werbliche Aussage: „Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich bisher schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen” ist keine pauschal herabsetzende und daher unlautere Mitteilung (entgegen OLG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2002, unveröffentl.).

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 30.04.2003; Aktenzeichen 4 O 1262/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Bremen – 4. Zivilkammer – vom 30.4.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt jedoch nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen eine Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

1. Die Beklagte gibt gemeinsam mit der Deutsche Telekom Medien GmbH u.a. Telefonbücher heraus, die kostenlose Standardeinträge sowie kostenpflichtige Einträge und Anzeigen enthalten. Zur Akquisition kostenpflichtiger Einträge und Anzeigen unterhält die Beklagte ein Netz von Vertretern, die nach ihren Angaben rund 80 % der Aufträge hereinbringen. Die übrigen Aufträge werden der Beklagten durch Werbeagenturen vermittelt, darunter auch durch die Klägerin.

Da sich die Klägerin in der Vergangenheit von ihren Kunden Vollmachten unterschreiben ließ, in denen die Kunden erklärten, sie wünschten künftig keine Besuche von Vertretern der Verlage, und in denen sich die Klägerin beauftragen ließ, diesen Wunsch den Verlagen mitzuteilen, kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, die darin gipfelten, dass die Beklagte die Annahme von Aufträgen der Klägerin für kostenpflichtige Einträge und Anzeigen generell ablehnte. Daraufhin erwirkte die Klägerin am 20.3.2000 bei der 2. Kammer für Handelssachen des LG Bremen eine einstweilige Verfügung, in der der Beklagten verboten wurde, die Annahme von Einschaltaufträgen für amtliche und örtliche Telefonbücher abzulehnen, wenn diese von der Klägerin namens und in Vollmacht ihrer Kunden angeboten würden, und/oder ggü. Kunden oder potenziellen Kunden der Klägerin zu behaupten, von ihr übermittelte Aufträge würden nicht angenommen. Nach Widerspruch der Beklagten und aufhebendem Urteil des LG schlossen die Parteien vor dem erkennenden Senat einen Vergleich, in dem die Beklagte erklärte, die Sperre für Einschaltaufträge sei aufgehoben; ferner verpflichtete sich die Beklagte, „bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe von 20.000 DM, es zu unterlassen, eine erneute Sperre zu errichten”.

Später kam es erneut zu Streitigkeiten zwischen den Parteien auf Grund des Werbe- und Marktverhaltens der Klägerin. Der erste Anlass war folgende Internet-Werbung der Klägerin:

„Beratung zur Kostenoptimierung von Telefonbucheinträgen

Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich von den Telefonbuchvertretern schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen. Aber auch Kunden, welche jährlich relativ hohe Insertionskosten aufwenden, können ihre Ausgaben bei uns auf den Prüfstand stellen …

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Mehrzahl unserer Kunden keinen Wert auf weitere Vertreterbesuche der Telefonbuchverlage legt. Denn Beratung ist nicht nur Vertrauenssache, sondern erfordert auch glaubwürdige Transparenz, die wir Ihnen Jahr für Jahr bieten. Wenn Sie es also wünschen sollten, bereitet (Name der Klägerin) künftig alle relevanten Telefonbucheinträge für Sie vor ….”

Wegen dieses Textes beantragte die DeTeMedien Deutsche Telekom Medien GmbH, die Mitgesellschafterin der Beklagten bei der Herausgabe der Telefonbücher, beim LG Hamburg eine Unterlassungsverfügung. Zwar lehnte das LG den Erlass der Verfügung ab, beim Hanseatischen OLG Hamburg hatte die DeTeMedien jedoch insoweit Erfolg (OLG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2002 – 3 W 34/2002, Bl. 64 ff. d.A.), als der Klägerin verboten wurde mit folgender Aussage zu werben: „Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich bisher schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen.”

Unter Berufung darauf, dass die Klägerin im Internet massiv wettbewerbswidrige Werbung betrieben habe, kündigte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 24.4.2002 den am 9.11.2000 vor dem Hanseatischen OLG in Bremen geschlossenen Unterwerfungsvertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Anzeigenaufträge der Klägerin für ihre Kunden T. GmbH lehnte die Beklagte ab. Die darauf gegründete Forderung der Klägerin nach Zahlung der Vertragsstrafe aus dem Vergleich vom 9.11.2000 wies die Beklagte unter Hinweis auf ihre Kündigungserklärung z...

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