Leitsatz (amtlich)

1. Preisänderungsbestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Gasversorgungsunternehmen müssen so beschaffen sein, dass der Vertragspartner bei Vertragsschluss die Voraussetzungen der auf ihn zukommenden Preissteigerungen aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer von dem Verwender sodann vorgenommenen Erhöhung überprüfen kann. Preisänderungsbestimmungen, die gegen dieses Transparenzgebot verstoßen, sind gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

2. Es stellt keinen angemessenen Ausgleich für eine von einem Gasversorgungsunternehmen verwendete, nicht hinreichend transparente Preisänderungsbestimmung dar, wenn der Verwender dem Vertragspartner für den Fall der Preiserhöhung ein Recht zur vorzeitigen Lösung vom Vertrag einräumt, dessen Ausübung aber faktisch mit unzumutbaren Kosten verbunden ist. Entsprechendes gilt, wenn das Recht zur vorzeitigen Lösung vom Vertrag für den Vertragspartner schwer auffindbar ist, weil es lediglich in einem in Bezug genommenen Regelwerk normiert ist.

3. Legt eine Preisänderungsbestimmung die einzelnen Parameter für die weitere Entwicklung der Gaspreise genau fest, liegt darin eine abschließende rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Voraussetzungen für die zukünftige Preisanpassung, die eine einseitige Leistungsbestimmung durch das Gasversorgungsunternehmen gem. § 315 BGB - auch bei Unwirksamkeit der Preisänderungsbestimmung - ausschließt.

4. An die Stelle der unwirksamen Preisänderungsbestimmung tritt in Verträgen mit Sonderkunden auch nicht § 4 AVBGasV, und zwar weder als ergänzend heranzuziehende AGB-Klausel noch als dispositives Recht. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung kommt insoweit regelmäßig nicht in Betracht.

 

Normenkette

BGB §§ 157, 307, 315; AVBGasV §§ 4, 32

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 24.05.2006; Aktenzeichen 8 O 1065/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.10.2009; Aktenzeichen VIII ZR 320/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bremen vom 24.5.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von vier Gaspreiserhöhungen in der Zeit zwischen dem 1.10.2004 und dem 1.1.2006.

Die Beklagte war zur Zeit der hier in Rede stehenden Gaspreiserhöhungen das einzige regionale Energieversorgungsunternehmen, das leitungsgebunden an Bremer Haushalte Erdgas vertrieb. Die Kläger sind Sondervertragskunden, die zu einem ggü. dem Grundversorgungstarif der Beklagten günstigeren Verbrauchs- bzw. Arbeitspreis für die Vollversorgung von Haushaltskunden ("swb Erdgas basis plus") beliefert werden. Diesen Arbeitspreis hat die Beklagte von zuvor 4,01 Cent/KWh (brutto) zum 1.10.2004 auf 4,26 Cent//kWh, zum 1.1.2005 auf 4,46 Cent//kWh, zum 1.10.2005 auf 5,19 Cent//kWh und zum 1.1.2006 auf 5,55 Cent/kWh erhöht. Grundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien sind formularmäßige sog. Gassonderverträge verschiedener Fassungen (im Folgenden mit Vertragstyp A, B und C bezeichnet), die mit den Klägern in dem Zeitraum zwischen 1990 und 2005, teilweise noch von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Stadtwerke Bremen AG, abgeschlossen worden sind. Zu der Frage, welche Fassung auf die jeweiligen Kläger Anwendung findet, wird auf S. 6 ff. des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Verträge enthalten u.a. folgende Regelungen:

A. (Vertragsschluss: 1990 bis 1996):

In § 2 des als "Muster" (Bl. 303 d.A.; Anlage 27) vorgelegten Vertrages ist unter "Bezugspreis und Bemessungsgrundlagen" der Arbeitspreis mit einem bestimmten Pfennigbetrag/Kubikmeter (netto) angegeben. Daran anschließend heißt es:

"Die vorgenannten Preise unterliegen einer Preisänderungsklausel. Ergeben sich aus der Anwendung der Klausel neue Preise, werden diese durch Veröffentlichung in der Presse oder durch individuelle Rundschreiben bekannt gegeben."

§ 3 lautet:

"Die jeweils gültigen 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden', die Anlagen der Stadtwerke hierzu und die besonderen Bedingungen der 'Anlage zum Vertrag über die Gas-Vollversorgung/Preise' bilden einen wesentlichen Bestandteil des Vertrages über die Gas-Vollversorgung."

Die in Bezug genommene "Anlage zum Vertrag über die Gas-Vollversorgung" weist neben einem Grund- (Ziff. 1) und einem Messpreis (Ziff. 2) unter Ziff. 3 den Arbeitspreis zu einem "Ausgangspreis 1.10.1984 in DM/Mt" und den "Preisstand 1.10.1986 in DM/Mt" aus, der sich "bezieht auf die vom Messgerät festgestellte Abnahme in Kubikmeter Erdgas". Unter Ziff. 4 ("Preisänderungsbestimmungen") heißt es weiter: "Die oben benannten Ausgangsgrundpreise gelten bei einem Monatsstabellenlohn von 2.674,54 DM (Stand 1.3.1984). Als Lohn ist der jewei...

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