Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Sorgerechtsentscheidung, wenn das Kind nach Durchführung eines HKÜ-Verfahrens wieder in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes zurückgeführt worden ist

 

Leitsatz (amtlich)

Die internationale Zuständigkeit des AG für einen Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts für ihr Kind besteht, wenn das Kind nach Durchführung eines HKÜ-Verfahrens wieder in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes (hier: Mexiko) zurückgeführt worden ist. Art. 16 HKÜ stellt nach Rückführung des Kindes kein Verfahrenshindernis mehr dar.

 

Normenkette

HKÜ Art. 16, 3; EuEheVO Art. 8; EuEheVO 14; FamFG §§ 152, 99, 97, 69; GVG § 23a

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 16.12.2016; Aktenzeichen 58 F 5636/16)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 16.12.2016 und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache an das AG - Familiengericht - Bremen zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Kindeseltern gegeneinander aufgehoben. Ihre im Beschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

3. Der Kindesmutter wird Gelegenheit gegeben, binnen 2 Wochen eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 ZPO) nebst Belegen zur Akte zu reichen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Es geht um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn der miteinander verheirateten Kindeseltern.

Die getrenntlebenden Kindeseltern hatten zuletzt mit dem am [...] 2014 in Tuscaloosa/USA geborenen Sohn X in Mexiko gelebt. Anfang Juli 2016 ist die Kindesmutter von einem mit X und ihrer weiteren Tochter aus einer anderen Beziehung angetretenen Urlaub in Spanien nicht wieder nach Mexiko zurückgekehrt, sondern nach Bremen gereist. Der hiermit nicht einverstandene Kindesvater hat am 29.9.2016 einen Antrag auf Rückführung des Sohnes nach dem Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (im Folgenden: HKÜ) gestellt. Das daraufhin beim AG - Familiengericht - Bremen unter der Geschäftsnummer 60 F 5416/16 HK geführte Rückführungsverfahren führte zur mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 4.11.2016 ausgesprochenen Verpflichtung der Kindesmutter, das Kind nach Mexiko zurückzuführen bzw. an den Kindesvater herauszugeben. Diese amtsgerichtliche Entscheidung hat der Senat nach Beschwerde der Kindesmutter mit Beschluss vom 16.12.2016 bestätigt (Geschäftsnummer 4 UF 139/16).

Bereits am 23.10.2016 hatte die Kindesmutter einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für X auf die Kindesmutter beim AG Bremen gestellt. Mit Beschluss vom 26.10.2016 hat das AG - Familiengericht - Bremen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht des beabsichtigten Sorgerechtsantrags abgelehnt. Die Regelung des Art. 16 HKÜ stehe einer sorgerechtlichen Entscheidung entgegen. Die hiergegen am 7.12.2016 eingelegte sofortige Beschwerde der Kindesmutter ist mit Beschluss der Einzelrichterin vom 3.1.2017 zurückgewiesen worden (Geschäftsnummer 4 WF 133/16). Ebenfalls am 7.12.2016 hat die Kindesmutter schriftsätzlich erklärt, sie wolle das Sorgerechtsverfahren auch ohne die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe durchführen und bitte um Zustellung des Antrags an den Kindesvater. Letzteres ist nicht erfolgt.

Mit Beschluss vom 16.12.2016 hat das AG - Familiengericht - Bremen den Antrag der Kindesmutter vom 23.10.2016 als unzulässig zurückgewiesen, da einer Sachentscheidung über das Sorgerecht weiterhin der Art. 16 HKÜ als Verfahrenshindernis entgegenstehe.

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter am 23.12.2016 zugestellten Beschluss hat die Kindesmutter am 23.1.2017 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Familiengerichts vom 16.12.2016 die elterliche Sorge für X auf die Kindesmutter allein zu übertragen. Zugleich hat sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten sowie die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.

Der Kindesvater hat zur Beschwerde der Kindesmutter keine Stellungnahme abgegeben.

II. Die statthafte (§ 58 FamFG), form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 16.12.2016 ist zulässig und hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG ist die Sache an das AG Bremen zurückzuverweisen.

1. a) Das Familiengericht hat den Sorgerechtsantrag der Kindesmutter mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.12.2016 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da am 16.12.2016 einer Sachentscheidung über das Sorgerecht für das gemeinsame Kind der Art. 16 HKÜ entgegenstand. Aus der Regel...

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