Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in einer Gewaltschutzsache

 

Leitsatz (amtlich)

In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist (hier: Beschwerdeverfahren in einer Gewaltschutzsache), reicht die Benennung von Zeugen zur Glaubhaftmachung einer Behauptung nicht aus. Auch der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet das Gericht in solchen Verfahren nicht zur Ladung und Vernehmung der benannten Zeugen.

 

Normenkette

FamFG §§ 26, 31 Abs. 2, § 68 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 01.07.2011; Aktenzeichen 67 F 2117/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Bremen vom 1.7.2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das AG - Familiengericht - Bremen hat es dem Antragsgegner mit einstweiliger Anordnung vom 1.7.2011 aufgrund mündlicher Erörterung untersagt, die Wohnung der Antragstellerin zu betreten, sich ihrer Wohnung bis auf eine Entfernung von 100 m zu nähern, Verbindung zur Antragstellerin aufzunehmen sowie Zusammentreffen mit ihr herbeizuführen. Gegen diese Unterlassungsanordnung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 14.7.2011.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 57 S. 2 Nr. 4, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und gem. §§ 59, 63 ff. FamFG auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die einstweilige Anordnung vom 1.7.2011 zu Recht und mit zutreffender Begründung erlassen.

1. Die Antragstellerin hat durch Vorlage ärztlicher Atteste sowie durch eine eigene eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie rechtswidrig körperlich verletzt hat. Laut Attest des untersuchenden Arztes Dr. S. war der rechte Daumen der Antragstellerin am 3.6.2011 erheblich und schmerzhaft geschwollen und wies ein Hämatom auf. An ihrem Oberarm zeigte sich ein deutlicher, ca. 8 cm langer Kratzer. Am Hals der Antragstellerin waren Druckhämatome und leichtere Kratzer zu erkennen. Im ärztlichen Attest der Praxis Dres. M. und T. vom 7.6.2011 wird bescheinigt, dass die Antragstellerin am 07.06. an einer ulnaren Seitenbandruptur, also einem Riss des kleinfingerseitigen Bandes am Daumengrundgelenk litt.

Dieses Verletzungsbild entspricht dem Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie am 2.6.2011 gewürgt, am linken Oberarm verletzt und ihr den Daumen umgeknickt. Die Angaben der Antragstellerin werden auch von der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Aussage des Zeugen N. vom 25.6.2011 bestätigt. Wie das Familiengericht zu Recht angenommen hat, ist es damit als glaubhaft anzusehen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin die in den Attesten vom 3.6.2011 und 7.6.2011 festgestellten Verletzungen zugefügt hat. Das gilt umso mehr, als der Antragsgegner zum Vorfall vom 2.6.2011 widersprüchliche Angaben gemacht hat. Gegenüber der Polizei B. hat er am 3.6.2011 erklärt, er habe der Antragstellerin "eine gelangt", um sich zu wehren. Im Rahmen seiner Anhörung durch das Familiengericht am 30.6.2011 hat er dagegen erklärt, er habe die Antragstellerin weggestoßen, wobei er nicht wisse, wie er sie dabei an den Hals gepackt habe. Die Verletzungen habe sie sich möglicherweise später zugezogen. In der Beschwerdebegründung ist nur noch allgemein von Verteidigungshandlungen des Antragsgegners die Rede.

2. Seine Behauptung, er habe in Notwehr gehandelt, hat der Antragsgegner nicht in geeigneter Weise glaubhaft gemacht. Das geht zu seinen Lasten, da er die Rechtfertigung seines Verhaltens durch Notwehr geltend macht (Ellenberger, in: Palandt, Komm. z. BGB, 70. Aufl. 2011, § 227 BGB Rz. 13).

a) Insbesondere kann der Antragsgegner sich nicht auf die von ihm in der Beschwerdeschrift vom 14.7.2011 benannten Zeugen berufen, denn gem. § 31 Abs. 2 FamFG ist eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, zur Glaubhaftmachung unstatthaft. Das Gericht ist trotz des in Gewaltschutzsachen gem. § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsprinzips im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht verpflichtet, Aussagen von Beweispersonen erst herbeizuschaffen. Allein die Benennung von Zeugen genügt zur Glaubhaftmachung daher grundsätzlich nicht (Ulrici, in: Münchener Komm. z. ZPO, 3. Aufl. 2010, § 31 FamFG Rz. 8; Sternal, in: Keidel, Komm. z. FamFG, 16. Aufl. 2009, § 31 FamFG Rz. 9; Gomille, in: Haußleiter, Komm. z. FamFG, 2011, § 31 FamFG Rz. 3; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, Komm. z. ZPO, 3. Aufl. 2008, § 294 ZPO Rz. 25; vgl. auch Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl. 2010, Rz. 16 m.w.N.). Vielmehr sind dazu schriftliche Erklärungen der Zeugen vorzulegen. Ob dies in Fällen anders zu beurteilen ist, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben und das Gericht zur rechtzeitigen Ladung der benannten Zeug...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge