Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich: Abänderung der erstinstanzlichen Sachentscheidung in einen Aussetzungsbeschluss im Beschwerdeverfahren nach unterbliebener Verfahrensaussetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt einen wichtigen Grund für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 21 Abs. 1 FamFG dar, wenn die verfassungskonforme Neuregelung der Bewertung der bis 31.12.2001 durch rentenferne Jahrgänge erworbenen Versorgungsansprüche durch den Versorgungsträger (hier die VBL) noch aussteht.

2. Die Aussetzungsentscheidung des Senats ersetzt die in erster Instanz - wegen der unterbliebenen Aussetzung - getroffene Sachentscheidung zum Versorgungsausgleich, so dass das Verfahren wegen des Versorgungsausgleichs aufgrund der Aussetzung weiterhin beim Familiengericht anhängig ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 114-115; FamFG §§ 58, 21; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 27.05.2016; Aktenzeichen 59 F 1797/15)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Bremen vom 27.5.2016 Ziff. II Abs. 2 wie folgt abgeändert:

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird hinsichtlich der Anrechte des Antragstellers bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) - in erster Instanz - ausgesetzt.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

3. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin hatten am [...] 1977 geheiratet und sich im Februar 2014 getrennt. Der vom Antragsteller eingereichte Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 16.6.2015 zugestellt worden. Der Antragsteller bezieht seit dem 1.9.2015 Altersrente. Nach mündlicher Verhandlung hat das AG - Familiengericht - Bremen mit Scheidungsverbundentscheidung vom 27.5.2016 die Scheidung der Ehe ausgesprochen (Ziff. I.) sowie den Versorgungsausgleich geregelt (Ziff. II.). Hinsichtlich der Versorgungsausgleichsregelung hat es u.a. entschieden, dass das dem Antragsteller zustehende Anrechte bei der weiteren Beteiligten zu 2 in Höhe von 56,86 Versorgungspunkten nach Maßgabe der Versorgungsregelung § 32a VBL-Satzung in der Form der 19. Satzungsänderung, bezogen auf den 31.5.2015, auf die Antragsgegnerin übertragen werde.

Der amtsgerichtliche Beschluss ist der Antragsgegnerin am 13.6.2016 zugestellt worden. Am 13.7.2016 hat die Antragsgegnerin gegen die Versorgungsausgleichsentscheidung beim AG Bremen Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zu Ziff. II. des Beschlusses vom 27.5.2016 in der Beschlussformel dahingehend aufzuheben und abzuändern, dass hinsichtlich der Anrechte des Antragstellers bei dem Versorgungsträger Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Nr. [...]) das Verfahren abgetrennt und ausgesetzt wird. Zur Begründung beruft sie sich auf das Urteil des BGH vom 9.3.2016 (Aktenzeichen: IV ZR 9/15), wonach die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder im Hinblick auf die dort getroffene Regelung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam sei. Da der Antragsteller zu den so genannten rentenfernen Versicherten gehöre, seien die für ihn ermittelte Startgutschrift und damit auch der mitgeteilte Ausgleichswert unrichtig und rechtswidrig mit der Folge, dass sich die amtsgerichtliche Entscheidung auf den Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin nachteilig auswirke. Das Verfahren sei daher abzutrennen und auszusetzen, bis die rechtskonforme Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder beschlossen worden und sodann die Anrechte in gesetzmäßiger Weise ermittelt werden könnten. Die Antragsgegnerin begehrt zudem die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.

Der Antragsteller hat von einer Stellungnahme ausdrücklich abgesehen. Auch die übrigen Beteiligten haben zu der Beschwerde keine Stellungnahmen abgegeben.

II.1. a) Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsgegnerin ist auch in eigenen Rechten beschwert.

Ein am Versorgungsausgleichsverfahren beteiligter Ehegatte ist beschwerdeberechtigt, wenn er geltend macht, durch die Regelung des Versorgungsausgleichs werde in einer dem Gesetz nicht entsprechenden Weise in seine Rechtsstellung eingegriffen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist für seine Beschwerdeberechtigung unmaßgeblich (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 59 Rn. 74). Im vorliegenden Fall liegt diese Beschwerdeberechtigung bei der Antragsgegnerin vor. Sie macht geltend, durch die Bewertung des Anrechts des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 2 aufgrund einer verfassungswidrigen Satzung des Versorgungsträgers würde der mitgeteilte Ausgleichswert ebenfalls unrichtig sein, was auch sie in ihrem Recht auf...

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