Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls an die Republik Zypern bei konkreten und belastbaren Informationen der zypriotischen Behörden zu EMRK-konformen Haftbedingungen für den Verfolgten. Strafprozessrecht, Europäischer Haftbefehl, Auslieferung, bedenkliche Haftbedingungen, Belastbarkeit der Informationen des ersuchenden Mitgliedstaats, Zypern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bedenken gegenüber der Zulässigkeit einer Auslieferung an die Republik Zypern aufgrund bestehender Anhaltspunkte für unmenschliche Haftbedingungen in den dortigen Haftanstalten im Allgemeinen können durch konkrete und belastbare Informationen der zypriotischen Behörden zu EMRK-konformen Haftbedingungen für den Verfolgten ausgeräumt werden.

2. Konkrete Angaben der zypriotischen Behörden zur Lösung in der Vergangenheit festgestellter Probleme der Überbelegung von Haftanstalten können insbesondere dann als belastbar angesehen werden, wenn die Schaffung neuer Haftplätze bereits in früheren Berichten zu den Haftbedingungen in der Republik Zypern angekündigt worden war.

 

Normenkette

IRG §§ 15, 29, 32, 73 S. 2; GRCh Art. 4; EMRK Art. 3

 

Tenor

I. Die Auslieferung des Verfolgten ... an die Republik Zypern zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Limassol vom 04.03.2021 aufgeführten Taten wird für zulässig erklärt.

II. Die Auslieferungshaft gemäß Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 03.01.2023 hat fortzudauern.

 

Gründe

I.

Die zypriotischen Justizbehörden ersuchen mit einem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Limassol vom 04.03.2021 um die Festnahme und Übergabe des Verfolgten zum Zweck der Strafverfolgung. Dem Verfolgten wird in dem Europäischen Haftbefehl zur Last gelegt, in der Zeit von Juni 2020 bis zum 15.09.2020 mehrfach aus dem Lagerraum der Firma ... in Limassol Bettwäschegarnituren und Bekleidung an sich genommen und in seinen PKW verladen zu haben, um die Waren für sich zu verwenden, wobei der Wert der abhandengekommenen Waren insgesamt EUR 15.139,50 betragen haben soll. Dem Verfolgten wird damit nach zypriotischem Recht eine Straftat nach Cap. 154 article 294 (Einbruchsdiebstahl) zur Last gelegt, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von sieben Jahren bedroht ist.

Am 23.12.2022 hat das Amtsgericht Bremen gegen den Verfolgten eine Festhalteanordnung erlassen. Bei seiner richterlichen Vernehmung hat sich der Verfolgte mit einer Auslieferung im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat der Senat am 03.01.2023 einen Auslieferungshaftbefehl gegen den Verfolgten erlassen. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 30.01.2023 beantragt, die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Zypern für zulässig zu erklären und die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen. Der Verfolgte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Da der Verfolgte sich mit seiner Auslieferung nicht einverstanden erklärt hat, hatte der Senat gemäß den §§ 29, 32 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung zu befinden.

In Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bremen vom 30.01.2023 war die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Zypern zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Limassol vom 04.03.2021 aufgeführten Taten für zulässig zu erklären. An der bereits im Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 03.01.2023 im Rahmen des § 15 Abs. 2 IRG vorgenommenen Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten an die Republik Zypern zum Zweck der Strafverfolgung hat sich nichts geändert.

1. Mit dem in deutscher Übersetzung vorliegenden Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Limassol vom 04.03.2021 wird den Anforderungen des § 83a Abs. 1 IRG genügt. Weiterer Auslieferungsunterlagen wie sonst nach § 10 IRG bedarf es bei Vorliegen eines Europäischen Haftbefehls nicht.

2. Die Erfordernisse des § 3 IRG unter Berücksichtigung der Maßgaben nach § 81 IRG sind erfüllt. Für die dem Verfolgen zur Last gelegten Taten ist nach den Angaben im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Limassol vom 04.03.2021 nach zypriotischem Recht eine Freiheitsstrafe von bis 7 Jahren vorgesehen, so dass das Erfordernis einer freiheitsentziehenden Sanktion im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten nach dem Recht des ersuchenden Staates erfüllt ist (§ 81 Nr. 1 IRG). Das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit ist erfüllt, da nach deutschem Recht ein Diebstahl nach § 242 StGB vorläge.

3. Die §§ 5, 6 Abs. 1, 7 sowie 11 IRG finden aufgrund des § 82 IRG keine Anwendung. Für eine Unzulässigkeit der Auslieferung aufgrund des § 6 Abs. 2 IRG liegen in Bezug auf eine Auslieferung an die Republik Zypern keine Anhaltspunkte vor. Auch aus den §§ 8, 9, 9a sowie 83 IRG ergeben sich im vorliegenden Fall keine Zulässigkeitshindernisse.

4. Die Auslieferung ist auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 73 IRG nicht unzulässig: Nach § 73 S. 2 IRG ist die Leistung von Rechtsh...

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