Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts, Gerichtsstandsbestimmung für beabsichtigte Parteierweiterung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für eine beabsichtigte Parteierweiterung scheidet jedenfalls dann aus, wenn das landgerichtliche Verfahren schon über eine längere Zeit andauert (hier: mehr als 4 ½ Jahre) und bereits mit der Beweisaufnahme begonnen wurde.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 3 O 2571/05)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 13.716,56 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt mit der seit dem 22.12.2005 beim LG B. anhängigen Klage die Beklagte zu 1) auf Zahlung von EUR 68.582,80 (restlicher Werklohn für ein näher bezeichnetes Bauvorhaben) in Anspruch. In dem Verfahren hat am 8.12.2006 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Durch umfassenden Hinweis- und Beweisbeschluss vom 16.2.2007 sowie Beschluss vom 8.6.2007 ist ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden. Der Sachverständige führte bereits mehrere Ortstermine durch und erstellte unter dem 22.4.2008 einen umfangreichen Zwischenbericht. Der nächste Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG ist anberaumt für den 20.8.2010. Zu diesem Termin sind neben dem Sachverständigen auch sachverständige Zeugen geladen.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 21.6.2010 das LG B. als das zuständige Gericht für die subjektive Klageerweiterung auf die Antragsgegnerin zu 2) zu bestimmen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass die Antragsgegnerin zu 2) am 28.6.2006 der Klägerin eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft gestellt habe bis zum Höchstbetrag von EUR 70.314,23 für Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) für Bauleistungen aus dem streitigen Bauvorhaben. Die Beklagte zu 1) sei inzwischen insolvent. Da die Beklagte zu 1) und die Antragsgegnerin zu 2) somit Streitgenossen i.S.v. § 59 ZPO seien, lägen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor. Eine Klageerweiterung gegen die Antragsgegnerin zu 2) hat die Klägerin bisher nicht vorgenommen.

Die Antragsgegnerin zu 2) tritt dem Bestimmungsantrag entgegen.

II. Der Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.

Auch wenn der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ("verklagt werden sollen") die Annahme nahe legt, dass ein Antrag auf Bestimmung des gemeinsamen Gerichts vor Klageerhebung gestellt werden muss, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch noch nach Klageerhebung zulässig (BGH, Beschl. v. 7.10.1977 - I ARZ 513/77, NJW 1978, 321; OLG Celle, Beschl. v. 11.2.2005 - 4 AR 19/05; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 16 m.w.N.). Die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist aber dann abzulehnen, wenn auf Grund des Standes des Prozesses die Bestimmung eines anderen als mit der Klageerhebung angerufenen Gerichts aus Gründen der Prozessökonomie praktisch ausscheidet und damit dem übergeordneten Gericht im Ergebnis keine Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 verbleibt (BGH, a.a.O.). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn in dem anhängigen Prozess bereits eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist (BGH, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.9.2005 - 19 AR 16/05) oder die Durchführung einer Beweisaufnahme unmittelbar bevorsteht (Zöller/Vollkommer, a.a.O.). Diese Voraussetzungen der Ablehnung des von der Klägerin gestellten Bestimmungsantrages liegen hier vor.

Der Rechtsstreit der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) vor dem LG B. ist dort bereits seit mehr als 4 ½ Jahren anhängig. Die Akte ist über 1.100 Blatt stark. Es hat bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Ein Sachverständiger wurde bestellt. Dieser hat mehrere Ortstermine und einen Zwischenbericht erstellt. Unter Beachtung der oben stehenden Erwägungen scheidet die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 hier wegen des bereits lang andauernden und auch verfahrensmäßig weit fortgeschrittenen Prozesses aus. Der Antrag der Klägerin war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt, da es im Hinblick auf die Antragstellerin zu 2) (noch) kein Hauptsacheverfahren gibt, aus der entsprechenden Anwendung von § 91 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 37 Rz. 3a und Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rz. 13 "Bestimmung des zuständigen Gerichts", jeweils m.w.N.). Der Streitwert war nach § 3 ZPO festzusetzen, wobei der Senat 1/5 des Klageinteresses der Klägerin ( EUR 68.582,80: 5 = EUR 13.716,56) zugrunde gelegt hat (vgl. dazu OLG Karlsruhe, a.a.O.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2370707

MDR 2011, 188

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