Leitsatz (amtlich)

Nimmt eine anwaltlich vertretene Partei ihre Berufung zurück, nachdem Berufung und Berufungsbegründung dem Gegner zugestellt worden sind und bevor der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten einen Zurückweisungsantrag gestellt hat, fällt grundsätzlich nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV und nicht eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV an.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Beschluss vom 11.02.2008; Aktenzeichen 6 O 1757/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bremen vom 11.2.2008 (Bl. 133 d.A.) wie folgt abgeändert:

Die von dem Beklagten an die Klägerin nach dem Beschluss des OLG Bremen vom 8.1.2008 zu erstattenden Kosten der Berufung werden auf 271,20 EUR festgesetzt.

Diese Kosten sind mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2008 zu verzinsen.

Die weitergehende sofortige Beschwerde des Beklagten wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG, letzter Satz).

Von den im Beschwerdeverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren tragen der Beklagte 70 % und die Klägerin 30 % (§ 92 Abs. 1 S. 1 ZPO).

 

Gründe

Der Beklagte ist mit Urteil des LG Bremen vom 18.10.2007 zur Zahlung von 7.645,05 EUR an die Klägerin verurteilt worden.

Gegen seine Verurteilung, soweit sie 4.970,47 EUR übersteigt, hat der Beklagte zulässig Berufung eingelegt und diese frist- und formgerecht begründet.

Berufung und Berufungsbegründung sind dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden.

Bevor der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Berufungsrechtszug einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Beklagten gestellt hat, hat der Beklagte seine Berufung zurückgenommen.

Das Hanseatische OLG in Bremen hat die Kosten der Berufung mit Beschluss vom 8.1.2008 gem. § 516 Abs. 3 ZPO dem Beklagten auferlegt und den Streitwert der Berufung auf 2.674,58 EUR festgesetzt.

Daraufhin hat das LG auf den entsprechenden Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.2.2008 die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten der Berufung auf 383,66 EUR festgesetzt, wobei es zugunsten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin von einer Verfahrensgebühr für den Berufungsrechtszug i.H.v. 1,6 gem. Nr. 3200 RVG-VV (302,40 EUR) ausgegangen ist und die Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 RVG-VV (20 EUR) sowie 19 % MwSt. (61,26 EUR nach Nr. 7008 RVG-VV) dem Betrag von 302,40 EUR hinzugerechnet hat.

Gegen den ihm am 14.2.2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beklagte am 26.2.2008 sofortige Beschwerde eingelegt und die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses beantragt. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, da sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor Berufungsrücknahme noch nicht zur Akte gemeldet und insbesondere keinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt habe, seien die für das Berufungsverfahren festgesetzten Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht entstanden.

Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat die Auffassung vertreten, die für das Berufungsverfahren festgesetzte 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV sei schon mit Zustellung der Berufungsbegründung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstanden.

Die zulässige (§§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 S. 2, 569 ZPO) sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bremen vom 11.2.2008 ist begründet, soweit sie sich gegen eine den Betrag von 271,20 EUR nebst Zinsen übersteigende Festsetzung der von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten wendet; im Übrigen ist die sofortige Beschwerde des Beklagten unbegründet.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.

Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagte gegen das landgerichtliche Urteil vom 18.10.2007 Berufung eingelegt hat (und zwar nicht lediglich zur Fristwahrung und auch nicht unter Vereinbarung eines Stillhalteabkommens mit der Klägerin) und seine Berufung sodann begründet hat. Berufung und Berufungsbegründung des Beklagten sind dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Der Beklagte hat seine Berufung zurückgenommen, bevor die Klägerin einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt oder sich sonst wie zur Akte gemeldet hatte.

Bei dieser Sachlage ist nicht eine Gebühr nach Nr. 3200 RVG-VV von 1,6 erstattungsfähig, sondern lediglich eine solche von 1,1 nach Nr. 3201 RVG-VV.

Nach Einlegung der Berufung (und selbstverständlich erst Recht nach Zugang der Berufungsbegründung) durfte die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten mit der Rechtsverteidigung in der Berufungsinstanz mandatieren (BGH NJW 2003, 756; w. N. bei Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rz. 52). Die Bestellung des Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelgegners löste nach Einlegung des Rechtsmittels - auch schon vor Begründung der Berufung - eine erstattungsfähige Gebühr von 1,1 nach Nr...

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