Leitsatz (amtlich)

1. Es rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen, wenn dieser in der Wohnung einer Partei einen Ortstermin durchführt, ohne die andere Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigten davon zu unterrichten.

2. Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen entfällt, wenn er erfolgreich abgelehnt wird, weil er in der Wohnung einer Partei einen Ortstermin durchführt, ohne die andere Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigten davon zu unterrichten.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 6 O 1359/04)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 19.5.2009 gegen den Sachverständigen ist begründet.

Es wird festgestellt, dass der Sachverständige für das von ihm erstattete Gutachten vom 23.4.2009 keine Vergütung verlangen kann.

 

Gründe

I. Der Senat beauftragte den Sachverständigen durch Beweisbeschluss vom 31.3.2008 mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage, ob auf Grund der nach einem behaupteten Einbruch vorgefundenen Spuren an der Balkontür der Wohnung des Klägers ein Einbruch auszuschließen sei. Am 31.3.2009 führte der Sachverständige im Hause des Klägers einen Ortstermin durch und erstattete am 23.4.2009 sein Gutachten. Daraufhin wurde er von der Beklagten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil weder sie noch ihr Prozessbevollmächtigter zu dem Ortstermin geladen worden seien. Außerdem beantragt die Beklagte, die Kosten des Sachverständigen wegen unsachgemäßer Behandlung niederzuschlagen.

II. Das gem. § 406 ZPO zulässige Ablehnungsgesuch hat in der Sache ebenso Erfolg, wie der Antrag auf Niederschlagung der Kosten.

1. Für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Ausreichend ist bereits, dass vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus ein objektiver Grund gegeben ist, der in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet ist, Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität des Sachverständigen zu erregen (BGH, Beschl. v. 15.4.1975 - X ZR 52/75, NJW 1975, 1363; OLG Celle, Beschl. v. 22.1.2007 - 13 W 101/06; OLGReport Celle 2007, 270; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.4.2007 - 5 W 104/07, OLGReport Saarbrücken 2007, 636). Nach diesen Grundsätzen erweckt das Gutachten des Sachverständigen vom 23.4.2009 den Anschein der Parteilichkeit.

Unstreitig hat der Sachverständige weder die Beklagte noch die Prozessbevollmächtigten beider Parteien über den Ortstermin informiert. Den Parteien ist es jedoch gestattet, der Beweisaufnahme - auch einer Ortsbesichtigung durch den Sachverständigen - beizuwohnen (§ 357 Abs. 1 ZPO) und nach Mitteilung des schriftlichen Gutachtens eine Ergänzung des Gutachtens zu beantragen oder in einer mündlichen Verhandlung an den Sachverständigen Fragen zu stellen (§ 411 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 397 ZPO). Es handelt sich dabei nicht um eine bloße Förmlichkeit, sondern durch die Mitwirkung der Parteien bei der Beweisaufnahme sollen etwaige Unklarheiten und Unzulänglichkeiten beseitigt und gegebenenfalls Fehler korrigiert werden. Das Sachverständigengutachten ist für den Prozessausgang oft entscheidend. Deshalb müssen die Parteien sich darauf verlassen können, dass der Sachverständige in seinem Ergebnis noch nicht festgelegt ist, solange die Parteien ihr Fragerecht noch nicht ausgeübt haben und die Begutachtung nicht abgeschlossen ist (OLG Celle, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.).

Der Sachverständige hat in seiner Stellungnahme vom 8.6.2009 eingeräumt, den Ortstermin allein mit dem Kläger verabredet zu haben, um zur Inaugenscheinnahme des mutmaßlichen Tatortes in die Wohnung des Klägers zu gelangen. Dabei habe er es versehentlich versäumt die Beklagte sowie die Prozessbevollmächtigten beider Parteien zum Ortstermin zu laden.

Führt ein Sachverständiger eine Ortsbesichtigung jedoch in Anwesenheit nur einer Partei durch, ohne die andere zu benachrichtigen oder ihr Gelegenheit zur Teilnahme zu geben, so lässt ihn dies als befangen erscheinen. Dies rechtfertigt sich auf der objektiven Ebene aus einem Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit, weil sich der Sachverständige der einseitigen Einflussnahme einer Partei aussetzt (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Deshalb ist es ebenso unerheblich, dass die fehlende Unterrichtung der Beklagten über den Ortstermin auf einem Versehen beruhte wie die Einlassung des Sachverständigen, dass es Absprachen mit dem Kläger nicht gegeben habe.

2. Dem Sachverständigen steht kein Anspruch auf Vergütung für das von ihm erstellte Gutachten zu, denn er hat den Ablehnungsgrund nach § 406 Abs. 1 ZPO grob fahrlässig herbeigeführt. Nach § 413 ZPO erhält der Sachverständige eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Entsteht im Laufe der Begutachtung ein Ablehnungsgrund nach § 406 Abs. 1 ZPO, verliert der Sachverständige diesen Vergütungsanspruch allerdings nur dann, wenn dieser Ablehnungsgrund vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde (Zöller/Greger, ZPO, 2...

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