Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Zwangsverwalters gegenüber dem Ersteher

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren über ein Grundstück zu einem Zeitpunkt, in welchem dafür die Zwangsverwaltung noch besteht, entsteht zwischen dem Ersteher und dem Zwangsverwalter ein gesetzliches Schuldverhältnis, das auch nach anschließender Aufhebung der Zwangsverwaltung noch bis zu deren vollständigen Abwicklung fortdauert; das gilt auch dann, wenn die Anordnung der Zwangsverwaltung nach dem im Zwangsversteigerungsverfahren ergangenen Zuschlag noch am selben Tag aufgehoben wird (Fortentwicklung zu BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 11; OLG Hamm, Urteil vom 15. September 2005 - 27 U 16/05, juris, Rn. 9).

2. Aus dem zwischen dem Ersteher einer zwangsversteigerten sowie zwangsverwalteten Immobilie und dem Zwangsverwalter begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis ist nach § 154 Satz 1 ZVG der Zwangsverwalter im Rahmen der Abwicklung nach Beendigung der Zwangsverwaltung verpflichtet, dem Ersteher die aus der Zwangsverwaltung erhaltenen Unterlagen zum Objektstatus, insbesondere Mietverträge, Versicherungs- und Bauunterlagen vollständig zu übergeben (Fortentwicklung zu BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 14; Abgrenzung zu OLG Dresden, Urteil vom 23.11.2011 - 13 U 1137/11, Rn. 7 = NZI 2012, 153, 154).

3. Der Zwangsverwalter, der dem Ersteher zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Zwangsverwaltung nicht sämtliche Verträge über die Mietverhältnisse zu dem ersteigerten zwangsverwalteten Grundstück herausgibt und ihn darüber inhaltlich auch nicht anderweitig vollständig informiert, haftet dem Ersteher für die diesem deswegen entstehenden Schäden (hier: auf Ersatz entgangenen Gewinns aus höheren Mieteinnahmen, weil der Zwangsverwalter dem Ersteher den mieterauswechselnden Ergänzungsvertrag zu einem Mietvertrag vorenthalten hat, weshalb der Ersteher die Kündigungsfrist zur Vorbereitung einer teureren Neuvermietung gegenüber dem wahren Mieter versäumt und mit diesem eine solche Neuvermietung erst zu einem späteren Zeitpunkt vereinbaren kann).

4. Zum Nachweis eines Schadens aus entgangenem Gewinn wegen versäumter früherer Vermieterkündigung und teurerer Neuvermietung des ersteigerten Grundbesitzes hat der den Zwangverwalter verklagenden Ersteher unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen der §§ 252 Satz 2 BGB, 287 ZPO alle konkreten Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit des Schadens ergibt; die abstrakte Darlegung der ortsüblichen Miete mit Angebot des Sachverständigebeweises genügt dafür nicht (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 18.01.2017 - VIII ZR 17/16, NZM 2017, S. 186, Rn. 16).

 

Normenkette

BGB § 252 S. 2, § 280 Abs. 1, § 580a Abs. 2, § 667; BGG § 249 Abs. 1; ZPO § 287; ZVG §§ 57a, 154 S. 1, § 161

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 17.01.2017; Aktenzeichen 7 O 287/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.01.2017 - 7 O 287/16 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.961,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2016 sowie vorprozessual entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 71 % und die Beklagte zu 29 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für den Zeitraum bis zum 15.03.2018 auf die Wertstufe bis 22.000,00 EUR festgesetzt und für den Zeitraum ab dem 16.03.2018 auf die Wertstufe bis 13.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz für entgangene Mieten für die Monate Januar und Februar 2016 wegen unrichtiger Benennung des Mieters einer von ihr ersteigerten und von der Beklagten als Zwangsverwalterin verwalteten Immobilie.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 - 4 = Bl. 179 - 181 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es könne dahinstehen, ob ein Anspruch dem Grunde nach bestehe, da die Klägerin für den Schaden beweisfällig geblieben sei. Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der je Quadratmeter zu erzielenden Miete für die streitgegenständliche Einheit im ersteigerten Objekt erfolge ins Blaue hinein. Die Klägerin nenne verschiedene Quadratmeterpreise, ohne im E...

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